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Kultur: Die Grünen: Im Übergang

Kommt er oder kommt er nicht? Das Programm für den Länderrat der Grünen am Wochenende in Berlin führt Joschka Fischer stolz als prominenten Redner auf - "Zur aktuellen Lage im Nahen Osten" soll der Krisenmanager angeblich zu seinen Parteifreunden sprechen.

Von Hans Monath

Kommt er oder kommt er nicht? Das Programm für den Länderrat der Grünen am Wochenende in Berlin führt Joschka Fischer stolz als prominenten Redner auf - "Zur aktuellen Lage im Nahen Osten" soll der Krisenmanager angeblich zu seinen Parteifreunden sprechen. Trotz seiner Verpflichtungen auf dem EU-Gipfel kommt er, heißt es in der Parteizentrale. Das Auswärtige Amt aber versichert gleichzeitig, dass der Außenminister auf dem Gipfel von Göteborg absolut unabkömmlich sei. Das Treffen in Schweden endet ebenso wie der kleine Parteitag von Berlin erst am Sonnabend.

Mit oder ohne Joschka Fischer - die Grünen dürfen sicher sein, dass ihr Länderrat im Berliner Abgeordnetenhaus neugierige Beobachter findet. Denn wenige Stunden später werden die Berliner Vertreter der Partei am gleichen Ort gemeinsam mit der SPD Eberhard Diepgen abwählen, um ihren eigenen Übergangssenat zu etablieren. Und natürlich hoffen sie, dass der Wähler das am 23. September belohnt.

Die Liberalen im Nacken

Das bundespolitische Zeichen einer Wahl, bei der sie zulegen, haben die Grünen zur Aufmunterung bitter nötig: Bei mehr als einem Dutzend Landtagswahlen in Folge hatte die Partei zuletzt Verluste hinnehmen müssen. Und als die Grünen im Frühjahr auch in Baden-Württemberg und in Rheinland-Pfalz einbrachen, nutzte die FDP die Gelegenheit. Noch frecher machen die Liberalen der Partei seither den Platz als dritte Kraft im politischen Spektrum streitig.

Dass die Grünen die Herausforderung der FDP ernst nehmen, zeigen auch parteiinterne Berliner Querelen. Die Parteispitze mischt sich ein, weil sie die Wahl für zu wichtig hält, um sie nur dem Landesverband zu überlassen. So heißt es etwa aus der Spitze der Bundestagsfraktion, dass der Druck, einen zugkräftigen Spitzenkandidaten in Berlin zu präsentieren, dann rapide zunehmen werde, wenn die Liberalen statt Günter Rexrodt tatsächlich einen werbewirksamen Politiker importieren.

Die Grünen selbst hatten die letzten Landtagswahlen im Frühjahr schwer verunsichert. Prompt brach ein Streit darüber aus, ob etwa angeblich neoliberale Botschaften des Wirtschaftsflügels die Wähler verschreckt hätten. Die Debatte darüber wird mittlerweile zumindest nicht mehr offen ausgetragen. Und als Parteichef Fritz Kuhn versicherte, dass es keinen Linksschwenk der Partei geben werde, fiel die Parteilinke auch nicht über ihn her.

Verunsichert hatte die Partei im Frühjahr auch, dass kurz vor den Landtagswahlen ein Teil der Anti-Atom-Bewegung ihr Verrat vorwarf. Die Basis im Wendland fand ausgerechnet im Umweltminister der Grünen ein neues Feindbild, weil der den Castor-Transport begründen musste.

Auch in den Aufgaben, die sich die Koalition für das letzte Jahr vor den Wahlen vorgenommen hat, steckt Konfliktpotenzial. So können es sich die Grünen bei der Einwanderungsdiskussion zwar als Erfolg anrechnen, dass sie schon lange vertreten, was auch kaum mehr angezweifelt wird: Deutschland ist ein Einwanderungsland.

Da die Sozialdemokraten aber mit guten Gründen fürchten, dass die Union 2002 mit Überfremdungsängsten einen Wahlkampf inszeniert, der auch das sozialdemokratische Milieu beeindruckt, können die Grünen den großen Partner in der Regierung nicht mitziehen. Sie müssen vielmehr schauen, dass die Union im Boot bleibt, also auf weitergehende eigene Forderungen bei einem Kompromiss verzichten. Und mit Otto Schily sitzt ein starker Minister in der Regierung, der für die Grünen ein harter Gegner zu werden verspricht. Die eigene Klientel aber, darunter Flüchtlingsgruppen und kirchliche Initiativen, drängte die Partei erst diese Woche wieder, endlich die Schutzlücken im deutschen Asylrecht zu schließen und auch geschlechtsspezifische und nichtstaatliche Verfolgung als Fluchtgrund anzuerkennen.

Beim Thema Ökosteuer hat der Kanzler klargestellt, dass es nach den Wahlen im Jahr 2003 keine neue Erhöhungsrunde geben wird - Benzin ist schlicht zu teuer. Zwar gibt es in der Bundestagsfraktion der Grünen - ähnlich wie auch in der SPD - schon längst Überlegungen, wie ohne Ökosteuer eine ökologische Steuerung mit und nicht gegen die Bürger zu bewerkstelligen sei. Aber noch immer ist die Ökosteuer ein Symbolthema der Grünen - sozusagen eine Frage der Selbstachtung.

Lob von den Kirchen

Während die Grünen beim Verbraucherschutz dank ihrer Ministerin Renate Künast punkten können, entdecken sie die Familienpolitik gerade erst als politisches Gestaltungsfeld. Aber nicht alle in der Parteispitze sind davon überzeugt, dass mit einem Thema viel zu gewinnen ist, das schon längst von den Großparteien besetzt ist. Als erste Bundestagsfraktion hatten die Grünen ihre Vorstellungen zum Thema Gentechnik präsentiert - und auch auf dem Länderrat am Wochenende geht die Debatte weiter. Bei den Kirchen hat diese Ernsthaftigkeit der Partei große Achtung eingetragen - dass mit gen-ethischen Grundsatzpositionen 2002 viele Stimmen zu gewinnen sind, gilt aber als unwahrscheinlich.

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