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Kultur: Die gute Gabe

Einstiegsdrogen: Zum Ende des Jahres bieten viele Kunstvereine besonders günstige Editionen an

Wer sich heute ein zeitgenössisches Kunstwerk kaufen möchte, hat angesichts des reichen Angebots die Qual der Wahl: Viele Auktionshäuser bieten in Sonderversteigerungen Gegenwartskunst an; immer mehr Kunstmessen differenzieren ihre Ausrichtung in verschiedenen Preissegmenten stetig weiter aus; alte und neue Galerien versuchen landauf, landab Kunden für ihre Kunst zu begeistern. Für den Wohltäter gibt es eine rasant steigende Zahl von Charity-Auktionen, und für Menschen mit Schwellenängsten erreichte die Ware, der einst die Musentempel reserviert waren, jüngst einen namhaften Discounter. Dazu kommt das Internet. Wer sich hier auf die Suche nach käuflicher Kunst begibt, dem bietet eine Suchmaschine wie google rund 780 000 Seiten an.

Nun ist Kunst nicht gleich Kunst, und die Frage nach der Qualität ist gerade für den Freizeitsammler immer schwerer zu beantworten. Wie soll man angesichts der Massenproduktion überhaupt noch aufstrebende Talente entdecken? Einen Ausweg aus dem Dilemma bieten die Kunstvereine, die zum Jahresende Auflagenobjekte produzieren und diese ihren Mitgliedern zu günstigen Konditionen anbieten. Denn spätestens seit den neunziger Jahren sind die einst so traditionellen Kunstvereine Keimzellen für hochkarätige Gegenwartskunst geworden. Damit haben sich auch die Jahresgaben gewandelt: von einst braven Radierungen und Siebdrucken hin zu zeitgemäßen Objekten, Übermalungen und Fotoserien, die meist in gesonderten Ausstellungen präsentiert werden.

Vor allem eine junge Generation von Direktoren hat hier in den vergangenen Jahren auch mit einem Angebot erstklassiger Editionen Zeichen gesetzt. Der Trend geht dabei weg von der hohen Auflage hin zu Unikaten, die dann zwar etwas teuer sind, aber dafür den Reiz des Originals haben. So hat Yilmaz Dziewior vom Kunstverein in Hamburg auch in diesem Jahr eine ganze Reihe von international erfolgreichen Künstlern gewinnen können: von Franz Ackermann bis Rirkrit Tiravanija. Das Spektrum reicht von einer gefalteten Posterserie von Henrik Hakansson mit einer 80er Auflage für 80 Euro bis hin zu einer Fotoserie von dem Chinesen Zhang Huan, die 2700 Euro kostet und bereits vergriffen ist. Eine solche Nachfrage ist keine Ausnahme: Kunsthistorikerin Janneke de Vries, deren Stelle für Öffentlichkeitsarbeit am Hamburger Kunstverein allein über die Jahresgaben finanziert wird, erzählt von geradezu hysterischen Reaktionen auf die sechs „Playboy-Zeichnungen“ (Öl auf Papier) von Malerstar Daniel Richter, über deren Vergabe schließlich das Los entscheiden musste. Ausverkauft sind inzwischen auch Werke von Anri Sala, Daniel Roth, Amelie von Wulffen.

Auch der von der Direktorin Rita Kersting geführte Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen in Düsseldorf ist längst kein Geheimtipp mehr. Sie präsentiert in einem kleinen Heftchen exklusive Werke von prominenten Künstlern wie Heimo Zobernig und Reinhard Mucha. Nicht immer wirken allein die großen Namen verkausfördernd. So ist nicht nur Candida Höfers zweiteilige Fotoarbeit, die im Kunstverein und der Kunsthalle Düsseldorf entstand (Auflage 24, 1450 Euro), inzwischen vergriffen, sondern auch die jüngste und bisher unbekannteste Position: die C-Prints von der 1978 in Izmir geborenen Künstlerin Yesim Akdeniz Graf (Auflage 30, 130 Euro). Für Kersting stellt der Handel mit Editionen inzwischen eine feste Größe im Etat dar.

Nicht immer sind es allein die Großstädte wie München, Stuttgart, Köln oder Bonn, die mit hervorragendem Angebot an Jahresgaben um neue Mitglieder werben: Der Kunstverein Braunschweig etwa bietet erstklassige Auflagenkunst von Imi Knoebel, Martin Kippenberger oder Günthert Förg und einigen Newcomern an. Der Kunstverein Ulm hat Werke von Johanna Kandl oder Gabriele Basch im Angebot, und der Schleswig Holsteinische Kunstverein in Kiel kann mit fünf Aquarellen von dem Berliner Shootingstar Tim Eitel auftrumpfen (à 700 Euro).

Da verwundert es, dass einige Vereine den lukrativen Endjahreshandel auf Eis gelegt haben. Stephan Berg produziert mit dem Kunstverein Hannover stattdessen drei bis vier Editionen mit Künstlern, deren Werke er in Ausstellungen zeigt. Auch im Frankfurter Kunstverein wird über neue Konzepte nachgedacht – vorerst sind keine Jahresgaben mehr geplant. Vielleicht ist das Angebot ja auch bereits wieder zu breit und teilweise austauschbar geworden – die Namen wiederholen sich, wenn man die Angebote der ambitionierten Vereine über mehrere Jahre hinweg vergleicht. Der Kunde indes kann sich über die Konkurrenz freuen. Wenn er schnell ist.

Katrin Wittneven

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