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Kultur: Die Halbstarken

Nah dran: Henner Wincklers Erstlingsfilm „Klassenfahrt“

Irgendwann ist er weggelaufen: einfach hoch aufs Zimmer, die Tasche geholt und nichts wie weg, per Anhalter, zu Fuß durch den Regen, bloß weg, und ab nach Hause. Weit ist er nicht gekommen, und nachmittags sitzt er wieder kleinlaut da, Ronny, der Außenseiter. Es ist wie mit Kindern, die auf Weltreise gehen und an der nächsten Ecke wieder aufgegriffen werden. Am Ende wollen sie doch alle wieder nach Hause.

Nein, es ist kein schöner Ort, dieser polnische Ostsee-Ferienort Miedzyzdroje, in den die Berliner Schulklasse auf Klassenfahrt gefahren ist. Das Hotel ein Plattenbau, die örtliche Diskothek heißt zwar „Paradise“, ist aber ein öder Schuppen und der Strand weit und grau und voller alter, unnützer Betonbefestigungen. Und es ist kein schönes Alter, das Henner Winckler in seinem Debütfilm „Klassenfahrt“ porträtiert hat: nicht mehr Kind und noch nicht erwachsen, voller Hoffnungen und Träume und trotzdem schmerzhaft „in between“. Ein Alter, wo die paar Jahre, die der polnische Hotelarbeiter voraushat, entscheiden über Erfolg oder Misserfolg der ersten Liebe, ein Alter, wo man für die reiferen Mädchen Kumpel ist und guter Gesprächspartner, mehr nicht.

So geht es Ronny (Steven Sperling), der die Klassenprinzessin Isa (Sophie Kempe) liebt: So, wie man liebt, zum ersten Mal, mit 15 oder so. Er, verdruckst, verschlossen, der Außenseiter im Klassenverband und sie, kess, neugierig, selbstbewusst: ein ungleiches Paar. Für die nächtlichen Gespräche am Strand, da reicht’s, vielleicht auch für den ersten, schüchternen Kuss. Aber wenn es gilt zu kämpfen, beim Wettschwimmen, später auch beim Wettspringen, gegen einen Konkurrenten, der alles besser kann, der ein Freund hätte sein können und nun plötzlich Feind sein soll, dann soll Ronny Mann sein und weiß nicht wie.

„Klassenfahrt“, auf der diesjährigen Berlinale gefeiert, verkörpert alles, was die Reihe „Perspektiven Deutsches Kino“ zeigen wollte: ein junger Regisseur, der in seinem ersten Spielfilm genau und konzentriert beim Thema bleibt, neue, unbekannte Kinogesichter, die sich fast beklemmend nah an ihre Rollen wagen, eine unaufwendige, unaufgeregte Geschichte, die mit ihrem langen Schweigen und einsilbigen Dialogen meilenweit entfernt ist von der Geschwätzigkeit der letzten deutschen Kinowelle. „Klassenfahrt“, fast ausschließlich mit Laiendarstellern gedreht, die Winckler im Berliner Mauerpark angesprochen hat, ist der Glücksfall eines Films in einer Zwischenzeit des deutschen Kinos: noch nicht ganz erwachsen, manchmal noch ziemlich roh und unreif und doch sehr vielversprechend. Christina Tilmann

fsk am Oranienplatz, Hackesche Höfe

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