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Beim Suhrkamp-Prozess. Autoren Andreas Maier (li.) u. Rainald Goetz (re.) Foto: dpa

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Kultur: Die Hoffnung ruht auf den Mediatoren Suhrkamp: Entscheidung erst im September

„Am Aschermittwoch ist alles vorbei.“ So oft hat man diesen Satz in Frankfurt gehört in den vergangenen Tagen.

„Am Aschermittwoch ist alles vorbei.“ So oft hat man diesen Satz in Frankfurt gehört in den vergangenen Tagen. Aschermittwochmorgen also, Landgericht Frankfurt am Main, Gebäude B, Saal 122, 8.45 Uhr, und wieder einmal die gleiche groteske Situation wie Anfang Dezember in Berlin: Viele Menschen, deren Ausbildung und Beruf es ist, sich mit der Herstellung und Verbreitung von oder der Kritik an Literatur zu beschäftigen, sitzen oder stehen in einem Gerichtssaal, um auf ein Urteil zu warten, das zu verstehen sie Mühe haben, weil es hier nämlich nicht um die schöne Kunst geht, sondern um juristische Winkelzüge, um Unternehmensrecht, um Klage und Gegenklage.

„Siegfried und Ulla Unseld Familienstiftung, vertreten durch ihr Vorstandsmitglied Ulla Unseld-Berkéwicz“ versus „Medienholding AG Winterthur, vertreten durch den Präsidenten des Verwaltungsrates, Hans Georg Barlach“, so steht es auf dem Zettel an der Tür. Alle sind da. Fast alle. Wer nicht da ist: Weder Ulla Unseld-Berkéwicz noch einer der anderen Suhrkamp-Geschäftsführer, Thomas Sparr und Jonathan Landgrebe. Auch Hans Barlach ist nicht da. Die Familienstiftung hält 61 Prozent des Suhrkamp Verlages, Barlachs Medienholding 39 Prozent. Beide bekriegen sich. Jeder will den anderen aus der Geschäftsführung ausschließen. Das Landgericht hat die Verkündung einer Entscheidung angesetzt. Mancher Kollege spricht von einem Showdown. Wird heute einer der wichtigsten deutschen Verlage der Nachkriegszeit per Gerichtsbeschluss ins Jenseits befördert?

Immerhin ist an diesem Morgen Suhrkamp-Autorenprominenz vertreten: Rainald Goetz, der rasende Gegenwartsreporter, ist bereits am Vorabend angereist aus Berlin, Notizblock in der Hand, graues Tweedjackett, glatt rasiert; Andreas Maier, braunes Tweedjackett, unrasiert; Ulf Erdmann Ziegler, glatt rasiert. Dann sind da: Helmut Markwort, naturgemäß in der ersten Reihe. Der ehemalige Suhrkamp-Geschäftsführer Rainer Weiss, der einen Eintracht-Frankfurt-Schal um den Hals geschlungen hat. Viele ehemalige Mitarbeiter, Charlotte Brombach, Ex-Lektorin; Wolfgang Schneider, der einstige Betriebsratsvorsitzende, der vehement gegen den Umzug nach Berlin gekämpft hatte. Und natürlich Joachim Unseld, dessen Lebensschicksal es ist, „der Sohn“ zu sein, obgleich er dieses Jahr 60 Jahre alt wird. Über ihn wird gemunkelt, er werde neuer Suhrkamp-Verleger, wenn denn seine Stiefmutter die Geschäftsführung verlassen müsse.

9.02 Uhr, Richter Norbert Höhne betritt den Saal, er tut das demonstrativ unaufgeregt. Die Justiz lässt sich nicht beeindrucken, nicht von der Gewichtigkeit eines Falls, nicht vom medialen Auftrieb. Die Justiz tut ihre Arbeit. Und so nuschelt Höhne einige Sätze herunter, nach zwei Minuten ist die Sache vorbei. Die Entscheidung lautet, dass keine Entscheidung getroffen wird, noch nicht. Die Verhandlung wird vertagt auf den 23. September. Höhne verweist auf „beiderseitige außergerichtliche Mediationsbemühungen“ und auf einen Hilfsantrag, den die Familienstiftung zusätzlich gestellt hat: Sollte das Gericht die Winterthur Medienholding nicht ohne eine Abfindung aus der Geschäftsführung ausschließen, beantragt die Familienstiftung hilfsweise einen Ausschluss mit Abfindung. Ob die Mediationsbemühungen vor diesem Hintergrund zum Erfolg führen?

Eine wichtige Entscheidung traf das Gericht allerdings doch noch. Der Streitwert des Prozesses wurde auf 20 Millionen Euro festgelegt. An ihm orientieren sich auch die Gerichts- und Anwaltskosten. Und die sind, nach allem was man hört, horrend. 9.06 Uhr. Man steht auf dem Flur herum, ein wenig ratlos. Am Aschermittwoch ist also nichts vorbei. Das Gezerre geht weiter. Der 23. September ist ein Montag. Dann werden alle wiederkommen. Christoph Schröder

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