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Kultur: Die Jungs in Sven Lagers Roman sind cool und wollen keine Mädchenkenner sein

Wäre Sven Lagers Debütroman "Phosphor" eine Kassette für den von ihm ersonnen "Gedankenrekorder", stünde auf dem Label der ersten Seite: "Held streift einsam durch Berlin und zeigt uns ein bisschen von seinem Leben." Er fährt U-Bahn, erinnert sich an die Ex-Freundin, besucht seine komische Schwester und stellt seinen verschlossenen Freund DJ Mikro vor.

Wäre Sven Lagers Debütroman "Phosphor" eine Kassette für den von ihm ersonnen "Gedankenrekorder", stünde auf dem Label der ersten Seite: "Held streift einsam durch Berlin und zeigt uns ein bisschen von seinem Leben." Er fährt U-Bahn, erinnert sich an die Ex-Freundin, besucht seine komische Schwester und stellt seinen verschlossenen Freund DJ Mikro vor. Das liest sich so, als sei man zu Gast in einem fremden, mittelverschrobenen Kopf, in dem Theorien über die Dummheit der Jugend stecken und viel Ahnung von Filmen.

Der Ton von "Phosphor" ist leicht und poppig. Es werden jedoch keine Hippness-Anstrengungen unternommen und die Berliner Szene dient beiläufig als Kulisse. Lagers Sprache kippt nie in den egomanen Geschwätzigkeitssound, den einige seiner Popliteratenkollegen derzeit gerne anschlagen. Der 34-jährige Berliner Autor war vor der Veröffentlichung seines ersten Buches bereits Geheimtip: Im Juni 1999 gründete er mit Elke Naters den virtuellen Literatursalon "Pool" ( www.ampool.de ). Neben ihnen schreiben und schrieben dort eingeladene Autoren wie Rainald Goetz, Helmut Krausser, Christian Kracht oder Georg M. Oswald. Im öffentlichen "Loop" kann jeder mitmachen. Anfangs wurden Surfer bei Pool/Loop immer mit Bildchen begrüßt. Jetzt gibt es dort nur noch reinen Text. Die kleinen Zeichnungen haben allerdings auf dem Umschlag von "Phosphor" überlebt. "Held trifft Mädchen. Beide trinken und rauchen zuviel," wäre auf der zweiten Seite der Kassette zu lesen. Das könnte aus einem Traum stammen, denn der namenlose Ich-Erzähler hat sehr plötzlich sehr viel Glück bei der Barkeeperin Fanny. Fast alles ist jetzt anders: Statt Cola wird Rotwein getrunken und statt abgedrehter innerer Monologe gibt es drogenverzerrte Dialoge. Das ist weniger unterhaltsam. Die beiden hocken in der Wohnung und lernen sich beim Sinnieren über Himbeergeschmack ohne Himbeeren besser kennen. Dazu hören sie auf dem Anrufbeantworter, der den schönen Namen "Melodymaker" trägt, Tapes von DJ Mikro. Der dröhnt sich nebenan mit seinem Freund Shaun völlig zu. Lager betont stark, dass es sich hier um einen "Jungsroman" handelt. Sein Held und Shaun äußern sich zur "Mädchenfrage": "Ich habe immer den Verdacht, dass Mädchen gar nicht aufs Klo müssen, wenn sie sagen, dass sie aufs Klo müssen. Nur was machen sie da? Mal abweinen?" Mächen sind anders, irgendwie wunderlich und nicht zu durchschauen. Die Jungs in "Phosphor" geben sich viel Mühe, cool zu sein, keine Mädchenversteher. Ausserdem reizt den Ich-Erzähler an Fanny gerade die Differenz. Zu viel Einfühlung würde die Faszination stören. Das Mädchen ist auf einem anderen Ticket unterwegs. Nur zufällig sitzt sie mit diesem Jungen im selben Zug. Der ist zwar amüsant, aber sicher werden sie nicht an der selben Station aussteigen. Man ahnt künftige Missverständnisse. Sven Lager ist gütig und blendet sein Buch elegant aus, bevor die beiden etwas merken.Sven Lager: Phosphor. Roman. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2000. 236 Seiten, 18,90 DM.

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