zum Hauptinhalt
Kiezkunst. Werke von Silvia Nettekoven in der Galerie Wedding.

© Bert Herden

Kommunale Galerien bei der Berlin Art Week: Kunsträume aller Bezirke, vereinigt euch!

Berlins Kommunalen Galerien machen mit einem Aktionsbündnis während der Berlin Art Week auf sich aufmerksam. Sie wollen die Kunst im Kiez fördern. Ein erster Rundgang.

Samstags ist Flohmarkt auf dem Leopoldplatz in Wedding. Und vielleicht hat Silke Koch dort oft in den Ramschkisten gewühlt, auf der Suche nach Plastikschalen, Keramikvasen, Thermoskannen und Eierbechern im Design der 60er und 70er Jahre. Die Künstlerin baut diese Haushaltsutensilien zu futuristisch-nostalgisch anmutenden Modellraketen zusammen. Zwei ihrer „Figures After Gravity’s Rainbow“ sind zur Zeit nur wenige Meter vom Leopoldplatz in der Galerie Wedding ausgestellt.

Der Kunstraum des Bezirks hatte Künstler, die im Kiez leben oder arbeiten, aufgerufen, Arbeiten einzureichen. 30 wurden ausgewählt, unter ihnen die 1964 in Leipzig geborene Silke Koch. Auch Zurab Bero mit seiner poetischen Rauminstallation „Salt Circle“ fällt auf. Er hat ein Rund aus Salz auf dem Boden verteilt. So wie der Kreis keinen Anfang und kein Ende hat, so ist das Salz für den 1982 geborenen Georgier ein Symbol für einen Kreislauf. Denn es ist lebensnotwendig, kann aber auch zur tödlichen Dosis werden.

Aktionsbündnis "KGB" auf der Berlin Art Week

Für die Kommunalen Galerien ist vor allem Aufmerksamkeit lebensnotwendig. Deshalb haben sich dreißig, unter ihnen auch der Raum in Wedding, zum Aktionsbündnis „KGB“ zusammengeschlossen. Erstmals tritt es nun im Rahmen der Art Week mit einer Aktionswoche in Erscheinung. Es gibt Ausstellungen, Rundgänge, Performances und Workshops. Am Samstag (20.9.) werden vierstündige Bustouren auf drei verschiedenen Routen angeboten, die einzelne Adressen ansteuern, von Reinickendorf über Pankow, Marzahn, bis Zehlendorf und Treptow-Köpenick. Parallel eröffnet im Kunstquartier Bethanien eine Ausstellung mit Matthias Beckmann, der alle Kommunalen Galerien mit dem Zeichenstift festgehalten hat. Quasi als Finale.

So verteilt sie auf dem Stadtplan liegen, so unterschiedlich sind auch die Ansätze. Während Wedding also die Künstler aus dem Mikrokosmos Kiez hineinholt, widmet sich etwa die Galerie im Neuköllner Körnerpark dem Makrokosmos. Es geht ums Universum und die Entstehung von Leben und Urmythen. Christine Jackob-Marks lässt in abstrakter Malerei und kräftigen Farbschichtungen Galaxien auf Leinwand entstehen. Ulrike Mohr installiert von der Decke herab einen Regen aus schwarzen Holzkohlestücken. Sie hat die Äste selbst geköhlert und verweist damit auf die mikrobiologischen Prozesse der Erde. Die thematische Klammer der Schau „Es werde Licht“ ist ambitioniert, aber auch groß, und so entsteht am Ende mit Beiträgen von vier Künstlern ein wässriger Gesamteindruck.

Themen mit Bezug zum Neuköllner Leben

Fußläufig entfernt wird die Galerie im Saalbau auf der Karl-Marx-Straße ihrem Anspruch gerecht, gesellschaftspolitische Themen mit Bezug zum Neuköllner Leben auszustellen. Eingeladen wurde die Fotografin Sabine von Bassewitz mit ihrer vielschichtigen Serie „Ordinary City“. Sie hat Menschen im Bezirk porträtiert und Blickwinkel gefunden, die Klischees reproduzieren, andere unterwandern sie. Da sind ältere Damen zu sehen, die vor einem dörflich wirkenden Gartenzaun in Rixdorf stehen, junge Hipster, die auf einer Dachterrasse den Sonnenuntergang betrachten, arabische Männer, die in der Shisha-Bar mit Deutschland-Spaßmütze auf dem Kopf die Fußball-WM verfolgen und vor Aufregung die Zunge im Mundwinkel stecken lassen.

Ebenfalls Dokumentarisches bietet der Projektraum Alte Feuerwache in Friedrichshain. Umgeben von den DDR-Bauten aus den 50er Jahren rund um die Karl-Marx-Allee ist hier der richtige Ort für die sehr sehenswerte Schau „Lieber Anton, lieber Ernst“ der beiden Berliner Künstlerinnen Anja Majer und Regina Weiss. Sie haben fotografisch Bilanz gezogen: Was wurde aus den antifaschistischen und sozialistischen DDR-Denkmalen in Berlin und Brandenburg? Manche Bilder zeigen, dass alle Spuren beseitigt wurden und geplättete Parkplätze übrig blieben. Andere Gedenktafeln verschwinden zwischen McDonalds und Bahnhofstrubel.

Mehr Kultur im Kiez

Alle Kommunalen Galerien sind den Bezirken unterstellt und sollen die Kultur im Stadtteil fördern. Sie machen Bildungsarbeit und sind häufig diejenigen, die Nachwuchskünstlern eine erste Öffentlichkeit verschaffen. Allerdings unter Mühen. Weil die Bezirke sparen müssen, sind die Leiter gefordert mit kleinem Budget auszukommen. Gleichzeitig schwindet die Bedeutung der städtischen Kunsträume, denn sie müssen sich inzwischen die Aufmerksamkeit mit Museen, hunderten von kommerziellen Galerien und privat geführten Projekträumen teilen. Zur Art Week nun buhlen alle um die Gunst des Publikums. Die Kommunalen Galerien wollen sich dabei als Orte der Vielfalt positionieren.
bis 21.9.; Programm: www.kgberlin.net

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false