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Kultur: Die Kraft der drei Herzen

Das Jacques Thibaud-Trio macht vor, wie man von Kammermusik leben kann – und dabei sogar noch Spaß hat

Auswendig lernen – das klingt nach Stress und eiserner Disziplin, nach Weitermachen, auch wenn draußen die Sonne scheint. Die Franzosen machen es sich da leichter, zumindest verbal: apprendre par coeur nennen sie den Arbeitsschritt, „mit dem Herzen lernen“. Durchs Herz ins Hirn, das ist genau der Weg, den die Kompositionen bei Burkhard Maiss, Philip Douvier und Uwe Schmidt-Hürth nehmen. Die drei Musiker des Jacques-Thibaud-Trios spielen bei ihren Auftritten stets ohne Noten – eine Seltenheit selbst in der Kammermusik. „Es kann durchaus passieren, dass man plötzlich für einen Sekundenbruchteil ein Erinnerungsloch hat“, sagt Philip Douvier, „aber die anderen holen einen immer wieder rein.“

Kennen gelernt haben sie sich in Berlin, während des Studiums an der Hochschule der Künste. Alle drei hatten Erfahrungen in Orchestern und bei Opernproduktionen gesammelt, und sie wussten: So wollen wir nicht arbeiten, im Kollektiv, mit einem Chef, der einem sagt wo’s langgeht. Also wählten sie den Weg in die Freiheit der Kammermusikformation, mit allen Risiken der Freiberufler. „Kollegen haben vorhergesagt, dass es mindestens zehn Jahre dauert, bis man davon leben kann“, sagt Douvier. Dann lächelt er: „Wir sind jetzt acht Jahre zusammen und eigentlich ziemlich zufrieden.“ Richtig reich werden kann man allerdings als Trio nicht, schon gar nicht in Deutschland, wo angesichts der großen Dichte öffentlich finanzierter Orchester der Markt für Kammermusik extrem schwierig ist. Darum sind die drei Berliner auch viele Wochen des Jahres unterwegs, meistens in den USA und Japan. Die Thibauds vergleichen das Streichtrio gerne mit einem Espresso – konzentrierter geht’s nicht. Ein Streichquartett wäre dann der Cappuccino, ein ganzes Orchester im schlimmsten Fall amerikanischer Kaffee. Allerdings verlangt die reduzierte Form auch doppelten Einsatz, sowohl in puncto Bühnenpräsenz – darum das Auswendig-Spielen –, als auch was die Klangintensität von Geige, Bratsche und Cello betrifft: Alle drei Musiker haben sich bewusst für Instrumente mit besonders vollem, reichen Ton entschieden.

Streng nach Haushaltsplan ist die Arbeit vor und nach den Auftritten geregelt: Uwe Schmidt-Hürth pflegt die Internet-Seite www.jtt.info , Philip Douvier macht die Reiseplanung für Europa und die USA, Burkhard Maiss, der mit einer Japanerin verheiratet ist, kümmert sich um fernöstliche Engagements. Hundertprozent in Eigenregie hat das Thibaud-Trio auch seine Matinee am Sonntag um 11 Uhr im Konzerthaus am Gendarmenmarkt organisiert. Auf dem Programm Beethovens c-Moll Trio und Schönbergs Opus 45. Im zweiten Teil spielen die drei dann gemeinsam mit dem Pianisten Caio Pagano und dem Kontrabassist Masatoshi Saito Schuberts „Forellenquintett“ – natürlich auswendig. Frederik Hanssen

Heute, 11 Uhr, Konzerthaus, kleiner Saal.

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