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Kultur: Die Kunst zum Leben

BrohanArt Inc. eröffnet eine Berliner Dependance

Damit ein Bollerwagen kunsthistorische Bedeutung erlangt, muss schon jemand Besonderes daran Hand angelegt haben. In diesem Fall war es der Architekt und Pionier der Klassischen Moderne Gerrit Rietveld: aus Holzplatten zusammengeschraubt und im charakteristischen Dreiklang Rot, Gelb, Blau bemalt, verrät das kuriose Wägelchen in allen Details die Urheberschaft des „De Stijl“-Gründers. Die absolute Rarität ist eines der Glanzstücke im neuen Ausstellungsraum des Kunstberaters Torsten Bröhan.

Wobei Bröhan nicht Ausstellungsraum sagt, sondern „Showroom“. Seit 1988, damals arbeitete er noch als Galerist in Düsseldorf, unterhält der Betriebswirt und Kunsthistoriker ein Büro in New York und organisiert seine Aktivitäten in einem Kontinente umspannenden Netz von Kontakten. In Japan half er mit, das Misawa-Museum aufzubauen, in Maastricht war er zeitweilig Mitglied im Beirat der Tefaf, der renommiertesten Kunstmesse überhaupt, seine Kollektion mit Werken des Konstruktivismus und des Bauhauses verkaufte er an das Land Sachsen-Anhalt. Und als er Teile seiner Design- und Glassammlung veräußerte, ging das Konvolut an das Museo Nacional de Artes Decorativas in Madrid.

Doch mit der Eröffnung des Berliner Ablegers von BrohanArt Inc. schließt sich für den Kunsthändler und Art Consultant ein Kreis. Zwar wurde er in Hamburg geboren, aber aufgewachsen ist und seine „wichtigsten Jahre“ verlebt hat der Sohn des Kaufmanns, Kunstsammlers und Museumsgründers Karl H. Bröhan in Berlin. Die Sammelleidenschaft seines Vaters war es auch, die ihn früh selber an die Kunst und vor allem an das Kunsthandwerk heranführte. 1983 machte er sich selbständig und verfolgte so unmittelbar eine erstaunliche Preisentwicklung. Was vor zwanzig Jahren noch günstig zu erwerben war, kostete plötzlich ein Vermögen: ein originaler „Giraffen“-Stuhl von Arne Jacobsen zum Beispiel; ein silbernes Schälchen des Wiener Architekten Josef Hoffmann, eine Inkunabel des Designs des frühen 20. Jahrhunderts, für die Interessenten mittlerweile rund 85 000 Euro übrig haben müssen; oder Rietvelds Sideboard, von dem es, so Bröhan, weltweit „nur zehn Exemplare“ gibt, eines davon natürlich bei ihm.

Wenn man sich mit Torsten Bröhan etwas länger unterhält, dann fällt ungewöhnlich häufig das Wort Didaktik. Vielleicht liegt es daran, dass er in den Anfangsjahren selbst um Anerkennung für seine Lieblingsstücke kämpfen musste, vielleicht geht sein Interesse auch auf Beobachtungen in den Museen zurück, die er seit seiner Jugend besucht. Jedenfalls erkannte er, was die Geschichte der sogenannten angewandten Kunst betrifft, einen Mangel an Wissen und Vermittlung und zog daraus für sich einen Bildungsauftrag. Als Herausgeber und Autor veröffentlichte er verschiedene Bücher zum Thema Design, darunter den veritablen Bestseller „Design Classics“. Die letzten vier Jahre widmete er sich von New York aus dem Aufbau eines edukativen Design-Portals mit Archiv, einem virtuellen Design-Museum sowie einem Newsletter mit Neuigkeiten aus der Design-Szene. Finanziell gelohnt hat sich das wohl nicht, aber gereut hat Bröhan sein Engagement auch nicht.

Gründe, nach so langer Zeit nach Berlin zurückzukehren, gab es für ihn etliche, persönliche wie auch fachliche. Einerseits sei die Hauptstadt gerade als Kulturstadt so attraktiv wie London oder Paris, und andererseits war Deutschland schon immer das Land, in dem Designgeschichte der Moderne geschrieben wurde – sowohl vor dem Zweiten Weltkrieg als auch in den sechziger Jahren, etwa mit der Hochschule für Gestaltung in Ulm. Aber womöglich wird es ja doch noch etwas mit seinem größten Ziel: der Gründung eines Museums für europäisches Design. Es gibt noch viel zu tun für Torsten Bröhan.

BrohanArt Inc., Linienstraße 98, Öffnungszeiten nach Vereinbarung (Tel. 20 67 16 40).

Ulrich Clewing

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