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Kultur: Die Lady und das liebe Vieh

In Zeiten der Not haben Berlins Opernhäuser eine Strategie entwickelt, um selbst dem Repertoire noch Ereignischarakter abzugewinnen. Man spielt einfach mehrere Werke eines Komponisten hintereinander und nennt das Ganze „Festtage“ – als ob nicht der Druck der Auslastungszahlen, sondern irgendeine künstlerische Absicht dahinterstünde.

In Zeiten der Not haben Berlins Opernhäuser eine Strategie entwickelt, um selbst dem Repertoire noch Ereignischarakter abzugewinnen. Man spielt einfach mehrere Werke eines Komponisten hintereinander und nennt das Ganze „Festtage“ – als ob nicht der Druck der Auslastungszahlen, sondern irgendeine künstlerische Absicht dahinterstünde. Meist sind solche Festtage natürlich den Cashcows gewidmet: Puccini, Verdi, Wagner und Mozart – die nächsten dieser Festtage stehen mit der Aufführung der drei Mozart’schen Da-Ponte-Opern schon im Juli an der Komische Oper ins Haus. Umso erstaunlicher, dass die Komische Oper dieses Etikett nicht auch der Häufung russischer Opern verpasst hat, die gerade den Spielplan beherrscht: Immerhin kann man innerhalb einer Woche einen Schnellkurs über die russische Oper der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts absolvieren: angefangen heute mit Prokofjews „Liebe zu den drei Orangen“ über Schostakowitschs „Lady Macbeth von Mzensk“ am Dienstag (noch einmal am 25.6.) bis zur neuesten Produktion des Hauses, Rimsky-Korsakows bitterer Märchen-Groteske „Der Goldene Hahn“ am Samstag.

Während die seit etlichen Jahren laufenden „Orangen“ inzwischen allerdings das meiste von ihrem Saft verloren haben und auch Andreas Homokis „Hahn“ nur ein müdes Krähen zustande bringt, ist die „Lady“ fraglos das Prunkstück dieser Undercover-Festtage: Die Inszenierung von Hans Neuenfels trug ihm gar den Titel „Regisseur des Jahres“ in der „Opernwelt“-Umfrage ein. Tatsächlich ist die „Lady“ eine der wenigen überzeugenden Berliner Produktionen, auch weil Anne Bolstad in der Titelrolle ein ergreifendes Porträt dieser Giftmischerin aus Verzweiflung gelingt. Die Wiederaufnahme im Schostakowitsch-Jubiläumsjahr ist da Ehrensache. Auch ohne Festtage.

Jörg Königsdorf

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