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Kultur: Die Lebenden und die Toten Endlich: Literaturport

für Berlin & Brandenburg

Der Name Literaturportal war schon vergeben, aber für Scherze eignet sich Literaturport ohnehin besser: Als dieser am Freitagabend im Literarischen Colloquium am Wannsee eröffnet wurde, ermunterte Hausherr Ulrich Janetzki die Autoren gut gelaunt, doch „hineinzuschiffen“ in den Hafen. 500 haben ihre Daten bereits hinterlassen, für 3000 verstorbene Kollegen hat dies Peter Walther vom Brandenburgischen Literaturbüro übernommen. Die Provinz steuert die toten Musenjünger bei, die Hauptstadt die lebenden. In Zukunft werden beide Datenbanken zusammenwachsen: Nicht nur der Schweizer Schriftsteller und bisherige Wahlberliner Silvio Huonder ist den Reizen des sandigen Landes Brandenburg erlegen.

Der von einer Redakteurin betreute Literaturport.de ist das jüngste einer stattlichen Zahl von Online-Angeboten für Büchermenschen. Erst vor wenigen Wochen öffnete das Literaturportal des Deutschen Literatur Archivs in Marbach seine Pforten. Die vollmundig als „zentrale Plattform“ im deutschsprachigen Raum angekündigte Seite wurde wegen vieler Fehler heftig kritisiert (Tsp vom 18. Juni). Besonders verärgert hat private Internetinitiativen wie Bluetenleser.de, dass die Marbacher üppige 150 000 Euro von der Bundeskulturstiftung erhielten.

Solche Reaktionen muss der Literaturport nicht befürchten. Die Förderung durch Berlin und Brandenburg sowie die Stiftungen Preußische Seehandlung und Brandenburger Tor beträgt nur 23 000 Euro, und der Literaturport konkurriert kaum mit existierenden Websites: Es gibt keine Rezensionen wie auf literaturkritik.de oder perlentaucher.de, Hinweise auf Literatursendungen in Radio und Fernsehen bleiben weiterhin bluetenleser.de oder kulturkurier.de vorbehalten. Der Akzent liegt auf der Region. Literaturinstitutionen speisen ihre Veranstaltungen in den Kalender ein, die Autoren Biographien und Werke. Jakob Hein erweist sich dabei als ein Muster an Einsilbigkeit, Elke Erb geizt nicht mit Informationen, und Thomas Lehr bescheidet Neugierige: „Je näher man einen Autor anschaut, desto ferner schaut er zurück.“

Leser können zu beinahe jedem brandenburgischen Flecken Literaturinstitutionen und Autoren recherchieren. So prunkt Rheinsberg mit dem Kurt-Tucholsky-Museum, Friedrich II. und Fontane, aber Judith Kuckart fehlt wie alle Stadtschreiber. Gegenwärtige Autoren finden sich in der zweiten Datenbank, dem Autorenlexikon. Dessen Highlight ist die Rubrik „Aus kommenden Büchern“: Günter Grass liest dort aus seinen im September erscheinenden Erinnerungen „Beim Häuten einer Zwiebel“. Ulrich Janetzki will mit selbst produzierten Lesungen auch älterer Texte den Hörbuchverlagen Konkurrenz machen und den Literaturport in drei Jahren auf eigene Füße stellen. Bayern und Sachsen-Anhalt überlegen bereits, sich dem Hafen anzuschließen. Er muss nur noch seine beiden Quais miteinander verbinden.

Jörg Plath

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