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Kultur: Die letzte Karte Casino im Kino: "Croupier"

Er ist Schriftsteller. Die Wörter haben sich im Halbkreis um ihn aufgestellt und schauen interessiert zu.

Er ist Schriftsteller. Die Wörter haben sich im Halbkreis um ihn aufgestellt und schauen interessiert zu. Sie meiden ihn sorgfältig. Jack ist noch immer bei der Überschrift. "The Ball. A Novel by Jack Manfred". Umsonst. Keines der Wörter traut sich hervor. In Gruppen kamen sie noch nie. Jack versucht es mit dem Rat eines Freundes, wonach eine erfolgreiche Überschrift mindestens drei Wörter haben müsse. "On The Ball", schreibt Jack und wartet. Kein Wort meldet sich.

Da kommt dieser Anruf von seinem Vater. Väter sehen es nie gern, wenn Söhne schreiben. Jack solle lieber was Ernsthaftes arbeiten. Croupier in einem Spielcasino zum Beispiel! Jack stellt sich vor - und hat den Job.

Clive Owen ("Bent") spielt diesen Jack Manfred, dem die Wörter ausweichen und die Spielkarten gehorchen, mit kühlem, glattem Charme. Das Spielcasino als Weltmetapher. Wie es pulst unter dieser hauchdünnen Schicht mühsam gewahrten Einverständnisses. Auch ein Zivilisationsvertrag. Wie dieser ganze Laden jederzeit hochgehen kann, wenn nur einer hier die Nerven verliert. Doch solange Jack am Tisch steht, wird weitergespielt. Das ist die Atmosphäre des Films von Mike Hodges.

Aber da ist noch etwas. Da ist Jacks Off-Stimme, sein unablässiger Selbstkommentar. Als Stilmittel hat das beinahe etwas Subalternes - das sich selbst erläuternde Kino. Gibt man solche Krücken nicht Filmen an die Hand, die nicht allein laufen können? Hier ist das anders. Hier ist es ein präziser Dialog von Szene und Erzähler, der die eigentliche Raffinesse des "Croupier" ausmacht. Und doch, man sieht es mit etwas erkaltendem Interesse. Natürlich gerät Jack immer tiefer in diese Welt, in die er nie wieder wollte. Wußten wir das nicht vorher?

Immerhin wirft er diesen Rettungsanker, unternimmt einen letzten Versuch, die Wörter zu überlisten. Jack sagt sich, er sei in der Rolle Gottes hier im Spielcasino. Oder in der des Autors, was ja ungefähr dasselbe ist. Ein Buch solle daraus werden. Eigentlich eine wunderbare Idee. Eine "Doktor Faustus"-Idee beinahe. Spieler und Schriftsteller, zwei typische Seelenverkäufer-Berufe. Die Frage ist ja nie nur, was macht der Autor mit seinem Gegenstand. Die Frage ist auch, was macht der Gegenstand mit seinem Autor. Was macht das Spielcasino mit Jack?

"Croupier" hat einen wunderbaren Schluß. Einen richtigen Spieler-Schluß. Einen, der nochmals alles wendet. Einen Schluß, den mitzuteilen sich verbietet. Denn Spieler und Menschen, die ins Kino gehen, wollen vor allem eins - das Ende nicht wissen. Das unterscheidet sie von Filmkritikern, Spiel-Verderbern, die so gern Filmschlüsse erzählen. Vielleicht so: Natürlich denken wir, wir machen das Spiel. Genau wie Jack. Oder werden wir gespielt? Und wer ist dann der oberste Spielmeister? Gott, sagt man. Oder ist Gott nur der Croupier? Und wir sind sein Einsatz? So ungefähr hört das auf, nur völlig anders.

In Berlin im Filmkunst 66, Kant, Nord

FT Friedrichshain und Moviemento

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