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Kultur: Die letzte Lampe

Berlin braucht eine Kunsthalle, sagen die Künstler – und kämpfen weiter für den Palast der Republik

Eine ist noch da. Groß und funkelnd, aus unendlich vielen Spiegelscheiben zusammengesetzt, hängt Olafur Eliassons „Umgekehrte Spiegellampe“ in Erichs altem Lampenladen. Es ist das letzte Aufgebot. Am 31. Dezember geht das Licht aus.

Spät, sehr spät hat die Berliner Kunstszene den vom Abriss bedrohten Palast der Republik für sich entdeckt – dafür aber mit Wucht. Am Freitag eröffnet hier die Ausstellung „36 x 27 x 10“. Ganze neun Tage bleiben bis zur endgültigen Schließung zum Jahresende, und in allerletzter Minute versammelt sich alles, was in der Gegenwartskunst Rang und Namen hat: Olafur Eliasson und der Biennale-Künstler Thomas Scheibitz, die für den Preis der Nationalgalerie Nominierten John Bock, Angela Bullock und Monica Bonvicini, der in Hamburg und Hannover mit Großausstellungen präsente Michel Majerus, Eberhard Havekost, gerade in Wolfsburg zu sehen, Tacita Dean, Candice Breitz und Rikrit Tiravanija, Christoph Schlingensief, Björn Melhus, Thomas Demand, Olaf Nicolai und Jeppe Hein, Gerwald Rockenschaub und Manfred Pernice. Sie alle leben und arbeiten in Berlin. Sie alle werden international, von Biennale zu Biennale, von Ausstellung zu Ausstellung weitergereicht und gefeiert. Und sie alle kämpfen für den Erhalt des Palasts der Republik.

Zehn Tage Vorbereitungszeit gab es für die von einer eigens gegründeten GmbH organisierte Ausstellung. Man muss sich das wie ein Schneeballsystem vorstellen: Einer kennt den Nächsten, am Ende kamen 36 Künstler zusammen. „Es haben sich noch mehr gemeldet, wir mussten irgendwann die Liste schließen“, erzählt Florian Wojnar von der Künstlergruppe Future 7. Eliasson fügt hinzu: „Wir könnten den Raum aus dem Stegreif weiter bespielen. So einen Ort haben wir immer gesucht.“

Der Raum ist eine weiße Ausstellungshalle, 36 mal 27 mal 10 Meter, die von der vorangegangenen Kunstausstellung „Fraktale IV“ übrig geblieben ist. Ein klassischer White Cube, großzügig, hell und monumental. Es ist eine Kunsthalle, wie sie sich die Berliner Künstler immer gewünscht haben. Denn die Museen, der Hamburger Bahnhof oder die Nationalgalerie, spiegeln die reiche Kunstszene der Stadt nur unzureichend wider, so die allgemeine Meinung. Ein eigenes Haus für Gegenwartskunst, an einem zentralen Ort in Berlin, offen für einen Dialog zwischen Kunst und Gesellschaft – das ist eine alte Forderung. Selten wurde sie so engagiert, so fundiert und überzeugend vorgetragen wie hier.

Mit dem historischen Palast der Republik hat das nicht mehr viel zu tun, Lampen hin oder her. Die Ausstellung wird den für Januar vorgesehenen Abriss, der zuletzt noch einmal von allen Regierungsparteien bestätigt wurde, wohl auch nicht mehr verhindern können. Die Aktion hat Demonstrationscharakter und ähnelt eher einem losen Dialog zwischen sehr verschiedenen Kunstwerken als einer fundiert kuratierten Ausstellung. Da zeigt Rikrit Tiravanija das Handtuch, das ihn von Anfang an durch Berlin begleitete, Schlingensief recycelt seine Bayreuther „Parzival“-Bühnenbilder, John Bock integriert das Kind von Thomas Scheibitz in die Installation „Babyshambles“, und Franz Ackermann präsentiert ein monumentales Wandbild: „Zugang zum Meer“.

Dass Berlin am Meer liegt, ist ein alter Traum, so unwahrscheinlich wie der Erhalt des Palasts. Doch eines wird deutlich: wie reich die Berliner Kunstszene ist, wie selten sie in solcher Einigkeit zu sehen ist und wie dringend nötig ein solcher Spielplatz für die junge Kunst ist. Hier artikuliert sich weit mehr als eine Spaßkultur, wie sie in manchen Projekten der „Zwischennutzung“ im Sommer fröhliche Urstände feierte, und es steckt auch mehr dahinter als die morbide Ruinen-Romantik des ausgeweideten Baus.

Während die Museumsinsel perfekt wiederhergestellt wird, könnte hier, in unmittelbarerer Nachbarschaft, mit vergleichsweise geringem Finanzaufwand ein lebendiger Kunstort entstehen, der von den Künstlern angenommen und bestückt würde. Mit Kunst, die in aller Welt mit dem Namen Berlins verbunden und wertgeschätzt wird. Es ist eines der größten Pfunde, mit dem die Stadt wuchern kann – wenn sie denn wollte. Aber dafür müsste den Verantwortlichen doch noch ein Licht aufgehen, mindestens so groß wie Eliassons Spiegel-Lampe.

Palast der Republik, 23. bis 31. 12., 14 - 22 Uhr. Infos: www.white-cube-berlin.de

Christina Tilmann

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