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Kultur: Die letzte Zigarette

Ein Blick, ein Satz, der Funke fliegt. Zum 80. Geburtstag von Lauren Bacall

Pressetermin in Venedig, am vergangenen Mittwoch. Regisseur Jonathan Glazer stellt seinen Film „Birth“ vor. Und nicht seine Hauptdarstellerin Nicole Kidman, traditionell Stammgast in Venedig, ist die Sensation, sondern die Frau an ihrer Seite, diese blonde Frau im weißen Hemd, mit grünen Augen, der man ihre 80 Jahre nicht ansieht: Lauren Bacall.

Sie spielt die Mutter der Kidman, souverän, mit trockenem Witz: eine starke Nebenrolle. Es ist nicht die erste Zusammenarbeit der beiden: Schon bei Lars von Triers Filmexperiment „Dogville“ war Lauren Bacall mit von der Partie, als Ma Ginger, die die neu zugezogene Kidman dem Zorn der Dorfbewohner von Dogville überlässt. Kein Wunder übrigens, dass sich Kidman auf Bacall als Vorbild beruft, dass die beiden sich nicht als Kolleginnen, sondern als Freundinnen präsentieren: zwei starke Frauen, die sich behauptet haben in der Filmwelt, auch gegenüber ihren Superstars von Ehemännern Humphrey Bogart und Tom Cruise.

Es waren wenige, ausgewählte, keineswegs schlechte Rollen, in denen man die Bacall in den letzten Jahren hin und wieder im Kino sah: eine Diva, die sich ihre Bedeutung in Hollywood nie hat nehmen lassen. Zur Legende jedoch wurde sie 1944, mit ihrem allerersten Film, „To Have and Have not“ von Howard Hawks. Da hatte sich der verbitterte Zyniker Harry (Humphrey Bogart) im gottverlassenen Fort de France auf Martinique gerade in sein Hotelzimmer zurückgezogen, und dann lehnt sie in der Tür, im karierten Kostüm, Zigarette im Mundwinkel: „Hat hier jemand ein Streichholz?“ Er misst sie mit Blicken, und sie antwortet mit dem berühmten Augenaufschlag: lasziv und selbstbewusst, Anmache, Schlafzimmerblick, Kriegserklärung in einem: The Look. Ein Auftritt, und alles war da: Spitzname, Ruhm und Liebe. Funken, die nur so knistern zwischen dem einsamen Wolf und dem „netten jüdischen Mädchen“ aus New York. „Diese Begegnung, das war Don Juan schachmatt gesetzt durch einen Blick“, hat Truffaut geschrieben. Bogart und Bacall: das neue Traumpaar in Hollywood.

Es sollte auch privat ein Traumpaar werden. Bogart und Bacall heiraten – für ihn ist es die vierte Ehe –, bekommen zwei Kinder, engagieren sich mutig gegen McCarthys Kommunistenjagd in Hollywood. Bei Demonstrationen marschieren sie in erster Reihe, ein politisches Paar wie heute Tim Robbins und Susan Sarandon. Und sie drehen gemeinsam – wie Spencer Tracy und Katharine Hepburn, wie Marlene Dietrich und Josef von Sternberg. „Tote schlafen fest“, nach dem Roman von Raymond Chandler, dessen Vorlage William Faulkner so lange bearbeitet hat, bis weder er selbst noch der Rest der Crew mehr wussten, worum es eigentlich ging in dem Film. Außer, dass da ein kleiner, mieser Privatdetektiv von einer Millionärserbin, die er vor Erpressung schützen soll, an der Nase herumgeführt wird und dass zwei Menschen alle Kraft daransetzen, sich gegenseitig zu verletzen. Es geht um Macht und Ebenbürtigkeit, auch in der Liebe: Was Hepburn und Spencer Jahre zuvor auf dem Gebiet der Screwball-Comedy ausgefochten hatten, einen witzig-intelligenten, aber dennoch ernst gemeinten Kampf der Geschlechter, verlegen Bogart und Bacall in den Film Noir der Vierziger.

Der nächste Film, „Das unbekannte Gesicht" – in dem Bogart wegen einer Gesichtsoperation kurioserweise erst nach der Hälfte erstmals zu sehen ist -, schenkt ihnen immerhin ein wunderbares Hollywood-Happy-End unter Palmen am Meer. Und „Gangster in Key Largo“, ihre letzte gemeinsame Arbeit, am Ende die Flucht mit dem Boot in den Sonnenuntergang. 1957 stirbt Humphrey Bogart, nach dreizehn gemeinsamen Jahren, mit 57 an Kehlkopfkrebs. Bacall, die mit ihren Kindern Stephen und Leslie in ihre Heimatstadt New York zurückkehrt, verlegt sich aufs Komödienfach, feiert Erfolge am Broadway, spielt in „Wie angelt man sich einen Millionär?“ Marilyn Monroe an die Wand und in Vincente Minnellis „Warum habe ich ja gesagt?“.

Eine Legende leben, und das 60 Jahre lang: Nicht immer ist das leicht, und manchmal geraten dabei die Zeiten etwas durcheinander. Als Nicole Kidman, immerhin 37 Jahre alt und schon lange im Geschäft, bei einem Interview unlängst vom Reporter als „Legend“ gerühmt wird, protestiert Bacall, halb im Scherz: „Sie ist noch eine Anfängerin. Als Legende muss sie älter sein.“ Doch gab es nicht einst eine Anfängerin, die mit whiskeydunkler Stimme gesungen hat: „Maybe it happens this way. Maybe we really belong together...“ Und nicht nur Bogart vergisst, das Streichholz auszupusten, und verbrennt sich die Finger.

Christina Tilmann

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