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Kultur: „Die Liberalen werden niemals siegen“

Ihre Helden sind oft Exzentriker, die mit den Regeln ihrer Zeit in Konflikt geraten. Goya aber ist überhaupt kein Kämpfer.

Ihre Helden sind oft Exzentriker, die mit den Regeln ihrer Zeit in Konflikt geraten. Goya aber ist überhaupt kein Kämpfer.

Goya war ein Langweiler! Zumindest für seine Umwelt. Die unglaublichen Gegensätze in seinem Werk rumorten nur in seinem Innern – sein Kopf muss wie ein Kessel gewesen sein, in dem das Schöne und das Apokalyptische ständig miteinander rangen. Aber er hat sich niemandem anvertraut. Er führte kein Tagebuch, Briefe schrieb er regelmäßig nur an seinen Freund Martin Zapater, doch auch darin enthüllte er nur Banalitäten. Im Grunde war er ein Feigling.

Warum dann überhaupt ein Goya-Film?

Goya eignet sich als Zentrum, weil beide Seiten bei ihm zusammenkommen – die Mächtigen und die Machtlosen, er hat beide gemalt. Es geht mir nicht um das Porträt eines Genies. Der Ursprung des Filmes liegt in den fünfziger Jahren, als ich auf der Filmschule in der Tschechoslowakei war. Damals wurde ein Schauprozess im Radio übertragen: Die Angeklagten gestanden Verbrechen, die sie nie begangen hatten. Dann baten sie öffentlich um die Todesstrafe! Einen von ihnen habe ich später getroffen. Ich wollte wissen, welche Torturen ihn zu einem solchen Geständnis brachten. Es war ganz einfach. Sieben Monate Schlafentzug, und man gesteht alles.

Also ist Goya ein politischer Film?

Das sind meine Filme immer, selbst wenn es historische Filme sind. Die Geschichte ist unbarmherzig: sie wiederholt sich immerzu. Das liegt daran, dass die ultrakonservativen Kräfte so ungemein clever sind, damals wie heute. Die unerfreuliche Wahrheit ist: die Liberalen werden sie niemals besiegen.

Die Franzosen, die Spanien im Namen der Revolutionsideale besetzten, zeigen Sie aber auch nicht gerade als Befreier.

Napoleon schaffte Monarchie und Inquisition ab – aber er kam mit Gewalt und wusste nichts über Spanien. Und jetzt schalten Sie mal den Fernseher an: Man sieht amerikanische Soldaten im Irak, aber man sieht sie nicht beim Aufbau von Demokratie. Man sieht sie beim Töten. Vor dem Irak-Krieg sagte Dick Cheney: „Sie werden uns mit Blumen als Befreier empfangen.“ Das waren exakt die Worte, die Napoleon zu seinen Generälen sprach, bevor sie in Spanien einfielen. Die Franzosen wurden übrigens bald wieder aus dem Land gejagt, den Amerikanern wird es genauso gehen.

Das Gespräch führte Sebastian Handke

MILOS FORMAN , 74.

Wichtige Filme: „Einer flog über das Kuckucksnest“ (1975), „Hair“ (1979), „Amadeus“ (1984), „Larry Flynt – die nackte Wahrheit“ (1996)

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