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Kultur: Die Liebe, das Leben und die Wirtschaft

Ein Themenwochenende im Berliner Ballhaus Ost

Das Schreckensszenario sieht so aus: Die Menschen bleiben im Bett oder hocken den lieben langen Tag lang im Café, derweil auf den Straßen die Müllberge wachsen und alle sich zu fein sind, im Supermarkt die Kasse zu bedienen. Im Grunde fürchten die Gegner der Idee des bedingungslosen Grundeinkommens also, ganz Deutschland würde sich in eine Hardcore-Version von Prenzlauer Berg verwandeln, sobald der Zwang wegfiele, sich in entfremdeter Lohnarbeit krumm zu machen. Die Verächter des anstrengungslosen Wohlstands könnten sich auch zu einem Verein bibeltreuer Kapitalisten zusammenschließen und auf den Apostel Paulus berufen. Der wusste nämlich: Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen. In dem Filmessay „Grundeinkommen“ von Daniel Häni und Enno Schmidt kommen allerdings nicht nur Heilige zu Wort. Sondern eine ganze Reihe von Unternehmern, Bankern und Professoren, die der Sozialromantik unverdächtig sind und dennoch glauben, die staatliche Alimentierung für alle sei ein smarter Weg, der Herausforderung zu begegnen, dass die Arbeitsplätze klassischen Zuschnitts sich in Zukunft eher nicht vervielfachen werden wie bei der wundersamen Brotvermehrung.

Im Ballhaus Ost in der Pappelallee hat man sich ein Wochenende lang in Theateraufführungen, Workshops, Vorträgen und Filmvorführungen Gedanken gemacht über das Geld. Und die Liebe. Und die Verbindung zwischen beiden. Wobei man manchmal den Zusammenhang während dieser „Love and Economics“ überschriebenen Utopien-Exerzitien auch suchen muss. Zum Beispiel in der jüngsten Produktion des munteren Menschen- und Puppentheaters Das Helmi, die den eingängigen Titel „Scheisse Schimanski“ trägt. Erzählt wird eine irrlichternde Räuberpistole aus dem Kohlenpott, in der Schimanski mit Kollege Thanner an der Ruhr campiert. Irgendwie geht es wohl auch um den Niedergang der Region. Egal, unterhaltsam ist diese Schnauzbart-Show, vor allem, wenn die wundervoll entrückte Stephanie Stremler sich in Schimanski verwandelt.

Offensichtlicher wird die Liebe-und- Geld-Problematik in der konzentrierten Inszenierung „Bremen, Texas“ von Uwe Moritz Eichler und Nicola Ahr, die frei nach Fassbinders „Bremer Freiheit“ den Fall der Giftmörderin Gesche Gottfried verhandelt, die auf sehr brechtianische Weise an den Verhältnissen zugrunde geht. Entstanden ist „Bremen, Texas“ in transatlantischer Kooperation mit dem Push Push Theatre aus Atlanta, dessen Mitglieder auch den Improvisations- abend „Dad’s Garage“ gestalten. Da wollen sie etwa vom Publikum wissen, ob irgendjemand kürzlich für eine geleistete Arbeit nicht bezahlt wurde. Nein, die deutschen Theatergänger schütteln stumm den Kopf. Scheint also doch alles halb so wild zu sein.

Weit gefehlt! Es gibt schließlich noch den freien Künstler, und wie der in Berlin leben muss, das verdeutlicht die Schauspielerin Rahel Savoldelli in einer hyperventilierenden Performance, die das prekäre Subventionswesen zum Thema hat und stimmige Sätze enthält wie: „Der Staat verteilt keine Geschenke, der Kulturschaffende hat ja nicht Geburtstag.“ Es diskutieren dann Savoldelli und die Kulturspezialistin Adrienne Goehler mit dem „Freitag“-Chefredakteur Philip Grassmann über die erkenntnisleitende Frage: „Wer zahlt für die Kulturarbeit von morgen?“ Ob der Künstler sich dem Publikum an den Hals werfen müsse, um zu überleben, will Grassmann von Goehler wissen, der verständlicherweise ein Seufzer von existenzieller Tiefe entfährt. Jedenfalls hält auch Goehler, gerade in Hinblick auf die bankrotten Kreativen, viel von der Idee des Grundeinkommens. „Künstler zu sein“, so sagt sie, „ist in dieser Stadt die diskreteste Art auszudrücken, dass man arm ist.“ Patrick Wildermann

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