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Kultur: Die Liebe kommt, die Liebe geht Zum Tod der italienischen Schauspielerin Alida Valli

Liebe, blinde Liebe. Kann man einen Verbrecher lieben, der Kinder im NachkriegsWien mit gepantschtem Penicillin versorgt hat?

Liebe, blinde Liebe. Kann man einen Verbrecher lieben, der Kinder im NachkriegsWien mit gepantschtem Penicillin versorgt hat? Alida Valli kann, der Mann ist Orson Welles als Harry Lime. Bis zum Schluss hält sie in Carol Reeds „Der Dritte Mann“ zu ihm. Als sie ihn nicht mehr liebt, will sie auch keinen anderen mehr.

Kann sie einen lieben, der sie betrügt und demütigt? Alida Valli kann. Als venezianische Contessa in Viscontis Melodram „Senso“ verfällt sie dem Leutnant Franz Mahler, folgt ihm von Station zu Station, irgendwann, da hat sie längst alles für ihn aufgegeben, denunziert sie ihn, und er wird hingerichtet.

Und 1947, in Alfred Hitchcocks „Paradine Case“, ist sie, die Frau mit den markant schräggestellten Augen und dem perfekt ovalen Gesicht, mit einem alten, blinden Knacker verheiratet, und als er ermordet wird, wird sie verdächtigt und wickelt den Anwalt, der sie verteidigen soll, um den Finger, kühl, verführerisch, und dass sie schuldig ist, wissen wir doch.

Sie hat die unbedingt liebenden Frauen gespielt und die, die sich befreien aus dieser Abhängigkeit. Ihre berühmteste Szene ist der Schluss von „Der Dritte Mann“. Harry Lime ist begraben, Joseph Cotton, der Freund, der ihn verraten hat, macht sich Hoffnungen und wartet am Friedhofstor. Und Alida Valli kommt auf ihn zu, eine lange Allee, endlose zwei Minuten lang, dazu die berühmte Filmmusik von Anton Karas, und geht vorbei, ohne einen Blick zur Seite zu werfen, ohne nur einmal zu zögern. Einsam aus eigener Entscheidung. Frei.

Am Samstag ist die im kroatischen Pula geborene Alida Maria Altenburger in Rom gestorben, mit 84 Jahren. Über 100 Filme hat sie gedreht, den letzten 2002. Doch manchmal genügen zwei Minuten für die Ewigkeit.

Christina Tilmann

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