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Kultur: Die Macht und ihr Preis

Von Daniela Sannwald Ein Film über Politik, Macht und Intrigen, in dem vor allem geredet wird. Ein engagierter Film mit aufklärerischem Anspruch.

Von Daniela Sannwald

Ein Film über Politik, Macht und Intrigen, in dem vor allem geredet wird. Ein engagierter Film mit aufklärerischem Anspruch. Ein Film aus Hollywood, der ohne viele Stars auskommt, auf spektakuläre Szenen verzichtet und überdies mit konventionellen Mitteln gedreht ist. Ein Film, dessen Regisseur und Drehbuchautor bisher kaum bekannt ist. Das wird aber nicht so bleiben. Denn „Rufmord“ ist ein großer Wurf.

„Rufmord“ führt in eine nicht allzu ferne Zukunft, in der zum ersten Mal eine Frau Vizepräsidentin der USA werden soll. Jedenfalls, wenn es nach dem Willen des amtierenden Präsidenten Jackson Evans (Jeff Bridges) geht, dessen bisheriger Stellvertreter gestorben ist. Der demokratische Präsident nominiert die Senatorin Laine Hanson (Joan Allen) statt des sogar von den Republikanern favorisierten Gouverneurs Hathaway: ein Coup. Denn Hathaway, der gerade fast einer jungen, mit ihrem Auto von einer Brücke gestürzten Frau das Leben gerettet hätte, ist ungeheuer populär.

Doch der Präsident besteht auf seiner Kandidatin, die sich nun dem verfassungsrechtlich festgelegten Procedere einer öffentlichen Befragung stellen muss. Das dafür gebildete Komitee wird vom republikanischen Kongressabgeordneten Shelly Runyon (Gary Oldman) geleitet, einem erklärten und in seinen Mitteln skrupellosen Gegner von Hansons Kandidatur.

"Rufmord“ beginnt mit der actiontechnisch spektakulärsten Szene des Autounfalls und dem Sprung des friedlich angelnden Gouverneurs ins Wasser. Man sieht in einer Parallelmontage, wie dessen Assistent im Boot hektisch telefoniert, während Hathaway unter Wasser vergeblich versucht, die Fahrerin aus dem Wagen zu befreien. Das verspricht hohes Tempo, und tatsächlich - der Film hetzt fortan sein Publikum wie seine Protagonisten von Termin zu Termin, konfrontiert sie mit plötzlichen Wendungen, die wiederum sofortiges Handeln verlangen, bis er in einer klassischen Monolog-Szene zur Ruhe kommt.

Das drückende und zugleich fruchtbare Treibhausklima in den Zentralen der Macht ist damit perfekt getroffen. Man ahnt: Wer dem nur einmal ausgesetzt ist, wird schnell danach süchtig. Ein präzise agierendes Darstellerensemble interpretiert die Varianten dieser Haltung, deren wesentliche Komponenten Obsession und Professionalität zu sein scheinen.

Joan Allen ist eine angestrengte, mitunter mühsam um Fassung ringende Laine Hanson, die um ihre Würde kämpft. Konfrontiert mit obszönen Fotos aus ihrer Collegezeit, besteht sie darauf, sich nicht zu äußern, obwohl es einfacher wäre zu dementieren oder zurückzuschlagen. Mit ihren hellen Kostümen und ihrer aufrechten Haltung scheint sie eine Lichtgestalt im politischen Sumpf zu sein, unberührt von der Schlammschlacht, deren Zentrum sie doch ist. Doch die vorzüglich visualisierte Atmosphäre suggeriert, dass auch sie für die Politik Opfer zu bringen bereit ist - und man weiß sofort, warum.

Die kühle, strenge Eleganz Hansons wird von zwei jovial-rustikalen Männerfiguren konterkariert: Jeff Bridges als Präsident ist ein Genussmensch, dem der Zwang zur Einhaltung der Formen stets Unbehagen zu bereiten scheint. Und Gary Oldman, Steakvertilger und Zigarrenraucher, scheint die Spielräume seiner Macht voll ausschöpfen zu wollen. Dabei ist er derb, anzüglich und überaus gerissen. Aber auch er meint aus lauteren Motiven zu handeln: Klug entschied sich Lurie dafür, Shelly Runyon nicht als Buhmann aufzubauen, sondern als Vollblutpolitiker, der das Unterscheiden ein wenig verlernt hat. Das kommt ja vor.

Aufklärerisch ist dieser Film im besten Sinne: Er bringt Licht ins Dunkel, ohne belehrend zu sein. Er bricht Klischees auf - ein frustrierter Ehemann sucht Trost in der Politik, eine Senatorin nimmt das Recht für sich in Anspruch, Sex zu haben, der nicht der Erzeugung von Nachwuchs dient - und verstört, verblüfft und erheitert zugleich. Und das zu einer Zeit, in der das Werfen von Nebelkerzen allemal populärer ist als das Anzünden eines Kronleuchters.

Astor, Cinemaxx Colosseum und Potsdamer Platz, Cinestar Hellersdorf, Kulturbrauerei, Rollberg, Zoo Palast; Kurbel (OV)

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