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Kultur: Die Moderne gehört allen

Vom Haus der Kulturen der Welt zum Goethe-Institut: Hans-Georg Knopp zieht Bilanz

Herr Knopp, Sie wechseln in diesem Sommer vom Haus der Kulturen der Welt als Generalsekretär zum GoetheInstitut nach München. Wenn Sie auf die acht Jahre in Berlin zurückblicken – was waren die prägenden Erfahrungen?

Die erste Aufgabe war: Das Haus musste gerettet werden. Nach langen Diskussionen ist es dann gelungen, die Institution aus der Schuldenlage zu befreien. Wir standen vor der Alternative: Entweder man geht aus dem Gebäude heraus und lebt mit den Mitteln, die man hat, mietet ein kleines Büro an und sucht sich Partner. Oder man sagt, wir stehen, schon von unserer geografischen Lage, dem Parlament genau gegenüber. Dort zeigt sich der Souverän der Bundesrepublik, im Haus der Kulturen der Welt öffnet sich Deutschland nach draußen. Damals kam ja auch der Begriff vom Dialog der Kulturen auf. Schließlich ist das Haus der Kulturen der Welt dann auch vom Bund übernommen und finanziell besser ausgestattet worden.

Ihr Haus hat sehr lange ein Profil, eine Programmatik gesucht.

Es geht um die Art und Weise, wie wir mit anderen Kulturen umgehen. Lange Zeit galt die im 19. Jahrhundert entstandene Hierarchisierung, mit der Folge, dass wir zwar Künstler anderer Kulturkreise hierher eingeladen, aber sie im Grunde nicht ernst genommen haben. Wir haben die andere Ästhetik nicht wahrgenommen, nicht die anderen Werte, wir haben die anderen Kulturen nicht als gleichwertig betrachtet.

Was folgt daraus für unsere kulturellen Einrichtungen?

Es ist vor allem das Zeitgenössische, das uns interessieren muss. Lange Zeit herrschte bei uns die Vorstellung: Asien, Afrika, Lateinamerika hatten einmal ihre großen Kulturen und damit viel zur Menschheitsgeschichte beigetragen, aber zur Moderne haben sie nichts mehr zu sagen, weil die Moderne im Westen, von Europa aus, entwickelt worden ist. Doch in den letzten fünf Jahren hat es einen Umbruch gegeben.

Sie sagen, unser kolonialer Blick auf Asien und Afrika war lange Zeit beherrschend. Was ist die neue Perspektive?

Die Erkenntnis, dass Tradition und Moderne dort in einem anderen Verhältnis stehen als bei uns, hat sich erst langsam durchgesetzt. Das Haus der Kulturen hat im nächsten Jahr das Projekt „Cultural Memory“, es werden berühmte chinesische Opernsänger eingeladen, die sich mit ihrer Tradition auseinander setzen und dabei eine zeitgenössische Sprache finden. In diesem Spannungsfeld sollte das Haus der Kulturen der Welt immer arbeiten.

Sie laden nicht nur auswärtige Produktionen ein, sondern arbeiten jetzt auch verstärkt als Produzent? Ist das die Zukunft?

Ich finde es völlig uninteressant, irgendwo hinzufahren und zu sagen, das Theater gefällt mir, das lade ich ein. Das kann auch eine Agentur machen. Aber eine Agentur kann keinen Dialog mit Künstlern und Kuratoren aufnehmen. Nur in der langfristigen, intensiven Zusammenarbeit kann man herausfinden, was zur Zeit anderswo diskutiert wird und künstlerisch relevant ist. Exemplarisch ist hier „In Transit“. Inzwischen sind mehr als 30 internationale Koproduktionen herausgekommen, die zum Teil weltweit touren. Das Festival wird auch in diesem Jahr eine Art Labor der internationalen Netzwerkarbeit in Berlin etablieren.

Einladungspolitik ist aber auch eine Kunst. Nicht jeder kann einfach so Theateraufführungen aus Teheran holen.

Die Iran-Einladungen letztes Jahr waren in der Tat ein sehr schmaler Grat. Dazu braucht man Erfahrung, Kontakte und Vertrauen. Noch einmal das Beispiel China: Im Jahr 2000 hatte das Haus der Kulturen der Welt nicht einen einzigen Kontakt zu China. Seitdem haben wir hervorragende Kontakte aufgebaut und sind jetzt an einem Punkt, an dem die Chinesen sogar die internationalen Transportkosten für unser Projekt übernehmen. Eine solche Basis muss man erst einmal aufbauen. Denn es ist längst nicht mehr so, dass die Künstler aus aller Welt sagen: Ach, ladet uns doch bitte ein. Sie fragen sich eher: Können wir diese Einladung akzeptieren?

Das Haus der Kulturen der Welt ist seit dem Jahr 2000 in der Obhut des Bundes, ebenso wie die Berliner Festspiele. Haben Sie den Eindruck, dass die Bundeseinrichtungen in Berlin ideal aufgestellt sind?

Noch längst nicht. Zwischen „In Transit“ und dem Theatertreffen zum Beispiel könnte es wesentlich engere Beziehungen geben. Und gerade beim Theatertreffen frage ich mich manchmal schon: Können wir das heute noch so machen? Müssen wir uns nicht viel stärker öffnen, über Europa hinaus?

Mit welchen Plänen und Ideen gehen Sie zum Goethe-Institut?

So weit ist die Arbeit der Goethe-Institute und des Hauses der Kulturen der Welt nicht voneinander entfernt. Es geht immer darum: Wie gehen wir miteinander um? Wie sprechen wir miteinander? Es kommt mir so vor, als hätten wir lange Zeit eine bestimmte Farbe nicht gesehen. Und nun müssen wir lernen, diese Farbe wahrzunehmen. Eines ist mir sehr wichtig – dass wir nach den Strukturreformen der letzten Jahre das Wort Kultur beim Goethe-Institut wieder stärker betonen. Strukturen können hilfreich sein, aber sie leisten nicht die Arbeit. Und es kommt auf mehr Zusammenarbeit an. So etwas will das Haus der Kulturen im kommenden Jahr versuchen bei dem Projekt „Der geteilte Garten“, das die Länder rund um das Mittelmeer umfasst, von der Levante über die nordafrikanisch geprägten Kulturen bis in den Nahen und Mittleren Osten.

Sind das auch die Länder, in denen Sie die Präsenz des Goethe-Instituts verstärken wollen und müssen?

Den Paradigmenwechsel, der sich im Haus der Kulturen der Welt gezeigt hat, wird man auch im Goethe-Institut vollziehen müssen. Das ist zwar viel schwieriger, weil man die Institute vor Ort nun einmal hat. Um das zu ändern, braucht es mehrere Jahre. Aber wir müssen eindeutig mehr in Asien tun, und im Mittleren und Nahen Osten. So überlegt sich das Goethe-Institut gerade mit dem Auswärtigen Amt, was wir in den Vereinigten Arabischen Emiraten tun können.

Heißt das, dass die traditionelle Arbeit des Goethe-Instituts in unseren europäischen Nachbarländern inzwischen zu einem gewissen Ende gekommen ist?

Die Aufgaben werden sich verändern. Es geht in allen Ländern um Wissenslücken in der jüngeren Generation, was die europäischen Kulturen angeht. Das wird deutlich, wenn man sich Mittel- und Osteuropa ansieht. Da sind in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg sehr andere Erfahrungen gemacht worden. Wir begreifen uns im Westen als eine Folge der Aufklärung. Aber die orthodoxe Kirche in Osteuropa hat das nicht mitgemacht. Das ist eine ganz andere geistige Landschaft, ein anderes historisches Bewusstsein.

Das Goethe-Institut ist, verglichen mit dem Haus der Kulturen der Welt, ein großer Tanker.

Sie haben Recht: Es ist sehr unhandlich. Vielleicht etwas zu unhandlich für unsere Zeit. Wir können nicht mehr wie früher auf zehn, fünfzehn Jahre planen, sondern müssen wesentlich flexibler werden. Dass das im Goethe-Institut langsamer geht, ist klar. Aber irgendwann müssen wir beginnen, sonst kommen wir zu spät.

Das Gespräch führten Rüdiger Schaper und Christina Tilmann.

Hans-Georg Knopp , 60, übernimmt am 1. August das Amt des Generalsekretärs des Goethe-Instituts in München. Der studierte Indologe leitete acht Jahre lang das Berliner Haus der Kulturen der Welt (HKW). Frühere Stationen beim Goethe-Institut führten ihn unter anderem nach Bombay, Colombo, Jakarta, Singapur und Chicago. Am 2. Juni beginnt im HKW das internationale Festival In Transit . Bis zum 18. Juni treten u. a. auf: Teatro de Ciertos Habitantes (Mexiko), Chelyabinsk Theatre of Contemporary Dance (Russland), Theater Garasi (Indonesien) Studios Kabako (Kongo). Infos zum Festival: www.hkw.de

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