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Kultur: Die Mutter von Pelé

Ein Schwedenmärchen. Von Richard Swartz

In der Nacht zwischen dem 6. und dem 7. Juni träumte mir, dass ich für die schwedische Nationalmannschaft zur Fußballweltmeisterschaft in Deutschland aufgestellt wurde. Ich soll heute Nachmittag in Dortmund bei unserem Auftaktspiel gegen Trinidad und Tobago stürmen. Ein kleiner Herr mit schmierigem Hut und hochgeschlagenem Mantelkragen saß neben meinem Bett und teilte es mir mit, während er dauernd auf seine Uhr sah – als wüsste er, dass mein Traum bald enden könnte. In Ordnung, sagte ich. Wer stürmt mit mir?

Pelé, sagte der Mann im Hut.

Das hat mich gewundert. Pelé ist doch Brasilianer und hat ja damals in Schweden, lange ist es her, gegen uns gespielt.

Mit Pelé, seid ihr sicher, fragte ich.

Wir haben ihn angeworben, sagte der Mann mit dem Hut. Seine Mutter wollte zurück nach Jönköping.

Dass Pelés Mutter aus Jönköping kommt, hatte ich nicht gewusst, aber es spricht für diese sonst nicht sehr aufregende Stadt.

Gut, antwortete ich. Pelés Mutter hat wohl Heimweh.

In zwei oder drei Tagen bin ich zurück, um unsere Taktik zu besprechen, sagte der Mann mit dem Hut, und es wunderte mich, dass er von Tagen und nicht von Nächten sprach.

Dann haben die Tauben vor meinem Fenster angefangen zu gurren, der Mann war weg und ich plötzlich wach.

Also ging ich zum Postkasten, um die Zeitung zu holen. In der Zeitung stand nichts von meiner Aufstellung. Das hat mich wieder gewundert. Aber dafür gab es einen Artikel über Uwe Seeler, 69 und so fit, dass er mindestens einmal in der Woche in seiner Stammkneipe auftaucht. Allerdings sah er nicht so aus, wie ich ihn in Erinnerung hatte, und für den, dachte ich, werden wir als Stürmer nur auf der Bank Verwendung haben.

Eigentlich schade.

Richard Swartz, geb. 1945, lebt als schwedischer Schriftsteller, Journalist und nicht professioneller Ex-Fußballer in Wien und Kroatien. Zuletzt erschien von ihm bei Hanser der Roman „Ein Haus in Istrien“.

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