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Kultur: Die neue Mitte - ohne Sasse

Es steht in den Sternen, wie lange sie noch die Geschicke der Berliner Kultur lenken darf - doch die Kampfeslust hat Adrienne Goehler keineswegs verlassen. Gemeinsam mit ihrer Staatssekretärin Alice Ströver stellte sie gestern das "Gutachten zur Privattheaterförderung 2003 - 2006" vor - ein Papier, das es in sich hat.

Es steht in den Sternen, wie lange sie noch die Geschicke der Berliner Kultur lenken darf - doch die Kampfeslust hat Adrienne Goehler keineswegs verlassen. Gemeinsam mit ihrer Staatssekretärin Alice Ströver stellte sie gestern das "Gutachten zur Privattheaterförderung 2003 - 2006" vor - ein Papier, das es in sich hat. Darin wird beispielsweise vorgeschlagen, dem Schlosspark-Theater und dem Volkstheater Hansa die Subventionen zu entziehen.

Von Goehlers Vorgänger Christoph Stölzl war eine dreiköpfige Jury beauftragt worden, Vorschläge für die Neuordnung der hauptstädtische Bühnenlandschaft jenseits der großen Staatstheater zu machen. Arbeitsgrundlage der Journalistin Renate Klett, der Dramaturgin Carola Friedrichs und des Abteilungsleiters "Theater" bei der Akademie der Künste Dirk Scheper waren die Förderrichtlinien der Kulturverwaltung. Diese sehen für freie Truppen und privatrechtlich organisierte Bühnen neben der Bezuschussung einzelner Produktionen auch eine "Konzeptförderung" vor. Damit soll aufstrebende Gruppen aus der Off-Szene durch einen für vier Jahre festgeschriebenen Zuschuss die Entwickung einer mehrjährige Programmlinie ermöglicht werden.

Nur ein Drittel bekommt Geld

Da im knappen Berliner Kulturetat nicht mehr als 14 Millionen Mark pro Jahr für die Konzeptförderung drin sind, kann es den Aufstieg einer Gruppe nur geben, wenn gleichzeitig eine andere aus dem Fördermoldell herausfällt. Neun Theater werden derzeit gefördert, 19 weitere hatten sich beworben. Insgesamt belief sich das Antragsvolumen auf 37,6 Millionen Mark. Keine leichte Aufgabe für die Jury. Nun liegt das Ergebnis ihrer Überlegungen in einem 55 Seiten starken Konvolut vor. Adrienne Geohler haben die Evaluatoren bereits überzeugt: Weil die "Schnelligkeit und Kreativität" der Stadt "wesentliche Impulse" aus der Theaterszene erhalte, sei es nur logisch, dass die innovativsten Truppen gefördert würden. Heribert Sasses Schlosspark-Theater ("biederes Regiehandwerk, stumpfe Rollenporträts, altbackene Bühnenbilder", Auslastung 48 Prozent) und das Volkstheater Hansa ("verstaubter Stil", Auslastung 38 Prozent) gehören laut Juryvotum nicht dazu. Ganz auf der Linie des Neuen Berlin liegen dagegen die Zeitgenössische Oper ("kompromissloser Stilwillen", einleuchtendes Konzept) und die Sophiensäle ("der Off-Spielort der Hauptstadt", überragionaler Ruf). Weil Internationalität für die Jury top, lokales Herumwurschteln aber flop ist, schlägt sie vor, der Tanzwerkstatt Berlin für ihre Netzwerk-Arbeit 150 000 Mark auf die bereits bestehende Förderung drauf zu legen. Renaissance-Theater und Vaganten-Bühne, Theater im Palais und Neuköllner Oper, Tribüne, Theater 89 und Kleines Theater am Südwestkorso sollen ihre Förderung weitere vier Jahre erhalten.

Rote Karte fürs Hansa-Theater

Es geht keineswegs um Riesensummen - und doch hängt das Überleben der Privattheater, die alle am Limit der Selbstausbeutung arbeiten, von kleinen Summen ab. Dass auch die Ku-Damm-Theater der Familie Wölffer eine halbe Million Mark Mietzuschuss bekommen sollen, obwohl sie kaum für Innovation stehen, begründet die Jury mit "Chancengleichheit" für das Boulevardunternehmen. Für die "Abschusskandidaten" hat Goehlers Verwaltung übrigens bereits neue Nutzungsideen: Das Schlosspark-Theater könnte ein Zentrum für Kinder- und Jugendstücke werden, die Hansa-Bühne von der Neuköllner Oper mit bespielt werden.

Weder Heribert Sasse noch die Hansa-Theater-Macher werden sich kampflos dem Urteil unterwerfen, das ist sicher. Da die "Empfehlungen" der Jury diverse parlamentarische Gremien passieren müssen, werden die Verlierer des Gutachtens versuchen, gewichtige Fürsprecher zu gewinnen, die das Urteil vielleicht noch rückgängig machen können - so wie 1998 nach der ersten Theater-Evaluation, als letztlich von vier Häusern nur die Berliner Kammerspiele geschlossen wurden.

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