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Kultur: Die Pizza-Connection

Fatih Akin wandelt in „Solino“ auf den Spuren italienischer Gastarbeiter im Ruhrgebiet – und auf seinen eigenen

Der erste Trailer versprach viel: Olivenöl zischt in der Pfanne, Kirschtomaten werden blanchiert, Kräuter gehackt. Währenddessen drehen sich frische Nudeln durch die Nudelpresse, landen in sprudelnd kochendem Wasser, werden mit dem Durchschlag herausgeschöpft. Dampf steigt auf, scheint von der Leinwand in den Zuschauerraum zu wabern. Italia, bella Italia. Wer würde nicht gern von Moritz Bleibtreu bekocht, mit Lust und Leidenschaft, con amore ed ardore?

Der Trailer versprach zu viel: Denn in Fatih Akins stark zusammengeschnittener Kinofassung gibt es die Szene nicht mehr. Stattdessen düsteres Ruhrgebiet, Kohle statt Knoblauch, Zechen statt Zwiebeln. Und eine unglückliche italienische Familie, die an der deutschen Kälte zerbricht. Nix Bello Moritz oder Bella Martha. Auch wenn der Film die Geschichte der ersten Pizzeria im Ruhrgebiet erzählt – von kulinarischen Genüssen bekommt man wenig zu sehen.

Dass Akin, 1973 als Sohn türkischer Eltern in Hamburg geboren, Sinn haben würde für die Geschichte italienischer Gastarbeiter im Ruhrgebiet, liegt nahe. Dass ihn, der seit „kurz und schmerzlos“ und „Im Juli“ eine der deutschen Kinohoffnungen ist, die Geschichte des kleinen Gigi, der früh seine Leidenschaft fürs Filmemachen entdeckt, an seine eigene Karriere erinnert, wundert nicht. Und dass der Regisseur, selbst kein Wort Italienisch sprechend, Italien nur als malerisches Urlaubsland kennt, muss dem Film noch nicht schaden.

Schwieriger jedoch, dass Akin zu viele Zutaten in die Suppe rührt. Ein bisschen „Cinema Paradiso“ mit dem kleinen Gigi, der am Ende das Dorfkino mit seinen eigenen Filmen bestückt. Ein bisschen „Rocco und seine Brüder“ mit den Brüdern Giancarlo und Gigi, Kain und Abel, die sich um ein Mädchen streiten. Ein bisschen „Mamma Rosa“ mit der unbegrenzten Leidensfähigkeit der Mutter Rosa, die sich ihrer Familie zuliebe mit Kälte, Überarbeitung und Einsamkeit abfindet. Und ein bisschen vom frühen Wenders, mit den dokumentarischen Kurzfilmen aus dem Revier, mit denen Gigi bei den Ruhrfilmtagen den ersten Preis gewinnt.

Dabei hätte ein Erzählstrang durchaus genügt. Am liebsten der des kleinen Jungen, der mit seiner Familie in den sechziger Jahren nach Deutschland kommt, voller Neugierde auf das Land, die Sprache, den Schnee. Nicola Cutrignelli, der kleine Gigi, hat den nötigen Vorwitz dazu, eine spielerische Unbefangenheit, der man mehr Raum im Film gewünscht hätte. Das und die Geschichte der ersten Pizzeria, der verzweifelten Köchin, die im kalten Deutschland keine richtigen Tomaten findet und erst recht kein Oregano, die Geschichte der italienischen Gastarbeiter, die endlich wieder Heimat schmecken, der misstrauischen Einheimischen, für die Pizza nicht mehr ist als „Brot mit Tomate“ – das wäre ein Filmthema gewesen.

Und wenn schon die Kain und Abel-Geschichte, mit dem Bruder, der den Bruder verrät, dann doch bitte die spannendere Lösung: Nicht, dass Gigi alles bekommt, dolce vita, schöne Frau, sondern der dunklere, schwierige Giancarlo. Allein schon Moritz Bleibtreu zuliebe. Soviel Utopie muss sein.

Adria, Astor, Cinemaxx Potsdamer Platz, Cinestar Tegel, FT Friedrichshain, Hackesche Höfe, Kulturbrauerei, Rollberg, Yorck; untertitelte Originalfassung im Broadway

Christina Tilmann

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