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Kultur: Die Poesie der Produktion

Die Kunst, man weiß es seit Hofmaler Conti aus Lessings „Emilia Galotti“, sie „geht nach Brot“. Neuerdings feiert sogar eine Art Mäzenatentum Auferstehung: Firmen vergeben Auftragsarbeiten an Schriftsteller.

Die Kunst, man weiß es seit Hofmaler Conti aus Lessings „Emilia Galotti“, sie „geht nach Brot“. Neuerdings feiert sogar eine Art Mäzenatentum Auferstehung: Firmen vergeben Auftragsarbeiten an Schriftsteller. Burkhard Spinnen hatte sich vor wenigen Jahren in den Dienst eines mittelständischen Metallunternehmens gestellt („Der schwarze Grat“). Nun legt Rafael Seligmann den Ruhrpott-Roman „Die Kohle-Saga“ vor – verfasst im Auftrag der mächtigen Essener Ruhrkohle AG. Kunst und Brot scheinen jedenfalls zueinanderzukommen, selbst wenn es ein wenig nach dem Imperativ des Bitterfelder Weges klingt: „Schriftsteller in die Produktion!“

Einer zeitgemäßen Literatur der Arbeitswelt begegnet man bei Rolf Dobelli . Der Schweizer Unternehmer war für Tochterfirmen der Swissair in Australien, Hongkong und den USA unterwegs, bis er seine eigene Firma gründete: Bei getAbstract kann man Buchzusammenfassungen von Klassikern der Wirtschaftstheorie und Weltliteratur erwerben. Weil ihn das Managerdasein nicht erfüllte, wurde Dobelli an seinem 35. Geburtstag im Wochenend-Zweitberuf Schriftsteller. Dobellis dritter Roman heißt „Himmelreich“ (Diogenes) und handelt, wie die vorhergehenden, von einem Manager in der Krise. Die Erfahrung der Doppelexistenz als Unternehmer und Schriftsteller teilt Dobelli mit Ernst-Wilhelm Händler . In dessen letzten Roman „Die Frau des Schriftstellers“ (Frankfurter Verlagsanstalt) geht es um die Ökonomie der Gefühle, ums Kalkül von Verlegern, Agenten und Schriftstellern in einem anderen, dem Literaturbetrieb. Am 7.2. (20 Uhr) unterhalten sich Händler und Dobelli im Literarischen Colloquium (Am Sandwerder 5, Zehlendorf) über „die Zwänge der Wirtschaft und des Schreibens“.

Die Erkenntnis, dass hinter der schönen Poesie meist die Prosa des (Literatur-)Betriebs lauert, bleibt selbst manch Großem nicht erspart. Herman Melville manövrierte sich beizeiten in materielle Bedürftigkeit – ausgerechnet mit dem Megaroman „Moby Dick“. „Clarel“, ein 18 000 Verse starkes Epos, sollte es wieder richten. Es erzählt die Reise eines Theologie-Studenten nach Jerusalem. Verhandelt werden in diesem monumentalen Weltanschauungs-Disput sehr aktuelle Fragen von religiösem Fundamentalismus und Reformertum, von der Beziehung zwischen Säkularisierung und Entzauberung. Dass man „Clarel“ erstmals auf Deutsch lesen kann, verdankt sich Rainer G. Schmidt . Der hat das Buch für den Verlag Jung und Jung ins Deutsche übersetzt und stellt es am 9.2. (20 Uhr) im Literaturhaus (Fasanenstr. 23, Charlottenburg) vor. Freilich: Von 330 gedruckten Exemplaren musste Melville angeblich 224 wieder einstampfen lassen. „Ein Ding in Versen“, soll er geflucht haben, „dazu geschaffen, unpopulär zu sein.“

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