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Kultur: Die Qual der Wahl

SOTTO VOCE Jörg Königsdorf will nur das Beste Also manchmal wünscht man sich ja tatsächlich nach Kiel oder Braunschweig zurück. Oder in irgendeine andere Stadt, wo das Konzertwesen seit Jahrzehnten ganz selbstverständlich geregelt ist.

SOTTO VOCE

Jörg Königsdorf

will nur das Beste

Also manchmal wünscht man sich ja tatsächlich nach Kiel oder Braunschweig zurück. Oder in irgendeine andere Stadt, wo das Konzertwesen seit Jahrzehnten ganz selbstverständlich geregelt ist. Mit einem einzigen Orchester, das seine Konzerte immer brav im gleichen Rhythmus spielt: Matinee sonntags um elf, Wiederholung Montagabend und Beethovens Neunte zu Silvester. Wär’ doch mal was: Keine Qual der Wahl zwischen acht Orchestern und dann hinterher beim Blick in die Feuilletons (die ja selber mit den Kritiken nicht nachkommen) die bittere Erkenntnis, dass das Topereignis doch im anderen Konzertsaal stattgefunden hat. Da läuft vorher drei geschlagene Tage lang in Philharmonie und Konzerthaus nur irgendwelcher (sicher ehrenwerte) Kleinkram, der einen kaum hinterm Ofen hervorlockt, aber am Donnerstag soll man sich dann gleich zwischen drei potenziell hochklassigen Sinfoniekonzerten entscheiden.

Geht man zu Thielemann mit den Philharmonikern ? Oder besser zu Juroski junior an die Komische Oper ? Oder stimmt man mit den Füßen für das Orchester der Deutschen Oper ab? Am spektakulärsten ist natürlich das ThielemannPhilharmoniker- Meeting, gerade weil die Beziehung zwischen Spitzendirigent und Spitzenorchester bislang nicht gerade glücklich war: Beim letzten Mal schien Thielemanns Versuch, Schumanns zweite Sinfonie mit spätromantischem Pathos aufzublasen, auf wenig Gegenliebe bei den Musikern zu stoßen. Diesmal hat das Treffen allerdings ein Thema, wo sich beide Parteien einig werden dürften: Der ganze Abend ist Thielemanns Leib- und Magenkomponist Richard Strauss gewidmet, und bei „Tod und Verklärung“ ist ein bisschen wilhelminisches Geprotze ja legitim.

Dafür reduziert die Abwartetaktik das Donnerstagsproblem wenigstens auf zwei Sinfoniekonzerte. Dabei haben sowohl das Orchester der Deutschen wie das der Komischen Oper ihre Programme sinnig mit den letzten Premieren verknüpft. Während Vladimir Jurowski mit Zemlinskys verführerischer sinfonischer Dichtung „Die Seejungfrau“ das Begleitprogramm zur Doppelpremiere „Florentinische Tragödie“/“Zwerg“ liefert, knüpfen Claus Peter Flor und das Orchester der Deutschen Oper im Konzerthaus mit der Suite aus Janaceks letzter Oper „Aus einem Totenhaus“ an die umjubelte Jenufa- Premiere vom letzten Sonntag an. Das mit der Sehnsucht nach Kiel oder Hildesheim war allerdings nicht so ernst gemeint. Denn dort, wo sowieso jeder weiß, wo er hingehen soll, braucht man keine Kolumnen.

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