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Kultur: Die Quassel-Sippe

Der Film zur Nichtraucherdebatte: die Satire „Thank You For Smoking“

Solch einen Brief bekommt ein Filmjournalist nicht alle Tage. Da bedankt sich eine gewisse Academy of Tobacco Studies „schon vorab für Ihre positive Berichterstattung im Zusammenhang mit dem Kinostart von ,Thank You For Smoking‘“. Und zum Zeichen der Verbindlichkeit heftet sie, diskret per Büroklammer auf der Rückseite des Blattes, einen Fünf- Euro-Schein an – einen echten!

Unterzeichnet hat das Schreiben Nick Naylor, der Pressesprecher des genannten Instituts – auffallend namens- und funktionsgleich mit dem Hauptdarsteller des Films. „Thank You For Smoking“ erzählt zwar von den wachsenden Mühen der Tabakindustrie, die Menschheit mit guten Argumenten vom Sinn des Rauchens zu überzeugen, viel mehr aber vom Alltagsfronteinsatz und Realitätsbegriff derer, die überhaupt in fremdem Auftrag Wertvorstellungen vermitteln. Und sie tun dies, was spätestens nach dem Brief Nick Naylors nicht überraschen dürfte, mit allerlei ungewöhnlichen Mitteln.

Vor allem aber ist „Thank You For Smoking“ eine Satire – eine temporeiche, originelle und durchaus gepfefferte zumal. Privat mag es dem smarten, aber geschiedenen Nick (Aaron Eckhart) mit Teilzeitsöhnchen nicht gar so rosig gehen, beruflich ist er ein Star seines Fachs. Beim Stammtisch etwa mit dem Waffenlobbyisten und einer toughen Blondine von der Alkohollobby liegt er grundsätzlich weit vorn – schließlich töten Waffen in Amerika pro Tag bloß 30 Leute, der Alkohol 400, am Tabak dagegen gehen täglich 1200 zugrunde. Wenn das kein Grund zum Protzen ist!

Geradezu furios startet der Film mit einer Talkshow, in der Nick sich einer Phalanx von Nikotinhassern und eines krebskranken Kinds im Rollstuhl erwehren muss. Dass und wie er sie alle rührt und besiegt (um den Preis, mal eben eine raucherfeindliche 50-Millionen-Dollar-Kampagne seines Chefs zu erfinden), ist ein erstes rhetorisches Glanzstück des Drehbuchs auf der Grundlage des Romans von Christoph Buckley. Kein Wunder, dass Nick es locker mit dem mächtigen Senator Finisterre (William F. Macy) aufnehmen kann, der seinen Kampf gegen die Glimmstengel schon mal hochprozentig befeuert, und auch die horizontal investigative Journalistin (Katie Holmes) vom „Washington Probe“ ist ihm, glaubt er zumindest, mental nicht gewachsen. „Wer Zigaretten verkaufen kann“, so lautet schließlich Nicks todsicheres Motto, „kann alles verkaufen.“

Imponierend entspannt lässt es der 28-jährige Jason Reitman, Sohn des Regisseurs Ivan Reitman („Ghostbusters“, „Kindergarten Cop“), in seinem ersten Spielfilm angehen – mit geschmeidigem Sinn für Timing, stets trocken gesetzten Pointen plus einer für amerikanische Verhältnisse geringfügigen Prise familiären Sentiments. Da spendiert sich Nick, auch um seinem klugen Sohn zu imponieren, sogar eine gesundheitsbewusste Läuterung – und sei es, um in der industriell alimentierten Kunst der freien Rede künftig jeden Zusammenhang zwischen Mobiltelefonen und Gehirntumoren aus der Welt zu quatschen. Ist „Thank You for Smoking“ deshalb der ultimative Beitrag zur weltweit verbissen geführten Anti- Raucherdebatte? Sagen wir so: Man kann diesen Film ganz wunderbar genießen, solange man nicht inhaliert.

Noch was? Ach ja: Der Filmkritiker hat die fünf Euro nicht etwa für Zigaretten ausgegeben, sondern prompt zurückgeschickt. Käuflich sei er erst bei der Übertragung der Mehrheitsanteile eines namhaften Tabakkonzerns, hat er die im Auftrag der Academy for Tobacco Studies tätige Agentur wissen lassen. Dort denkt man nun, heißt es, über entsprechende Schritte nach.

In Berlin in sechs Kinos. OV im CineStar/Sony Center, OmU in den Hackeschen Höfen und Odeon.

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