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Die Rache der Schwäne: "Schwanensee" trifft "Die Vögel"

Christine Wahl erlebt Wasservögel außer Rand und Band.

Eigentlich verwunderlich, dass vorher noch niemand auf die Idee gekommen ist, Tschaikowskys „Schwanensee“ mit Hitchcocks „Die Vögel“ kurzzuschließen! In der Brotfabrik (Caligariplatz 1) kann man sich nämlich davon überzeugen, wie gut der Ballett- und der Horrorklassiker zusammenpassen. Zumindest, wenn die Zuschauer dabei wie in Georg Bütows Schwanensee live ordentlich mit Wodka abgefüllt werden (heute und morgen, 21 Uhr). Kurzum: Es ist Trash allererster Güte, was der 28-jährige Autor, Regisseur und Schauspieler mit Darstellern und Live-Musikern auf die charmante kleine Bühne in Weißensee bringt.

In einer namenlosen Stadt werden Menschen – vorzugsweise Passantinnen – von großschnäbeligen Schwänen angegriffen und kaltblütig hingemordet. Haben die Tiere einen generösen Tag, begnügen sie sich damit, ihren Opfern lediglich die Geldbörse inklusive Kreditkarten abzunehmen und ihnen ein Auge auszuhacken.

Die indische Austauschschülerin Malalai erwischt leider einen schlechten Zeitpunkt. Dass sie sich ihrem tierischen Widersacher mutig in einem Fatsuit entgegen wirft und ihm außerdem als erstklassiger Gloria-Gaynor-Verschnitt ein entschlossenes „I will survive“ ins Ohr schmettert, nützt ihr am Ende leider nichts (jeder Schauspieler ist hier übrigens auch noch passionierter Sänger und jeder Live-Musiker gleichzeitig ein Schauspieltalent).

Dafür begeben sich ihre Freunde Silvia, Hansi und Peter als treue – und gern auch mal treudoofe – Rächer in die Schwanen-Spur und machen erstaunliche Entdeckungen. Nicht nur dringend tatverdächtige Ornithologen kreuzen ihren Weg, die sich ihrem Forschungsgegenstand via farbenfroher Streifen-Klamotten optisch nahezu vollständig angenähert haben und zudem über die alarmierende Fähigkeit verfügen, ihren Kopf um 360 Grad zu drehen. Sondern auch rauschebärtige Familienväter, missmutige Butler, die immerhin beim Sex mit der Arbeitgeberin mental aufblühen. Außerdem geben sich bizarre Choreografen die Ehre.

Wenn die Ballett-Hoffnung Hansi, der mutmaßlich Schlaueste des Hobbykriminalisten-Trios, zu vorgerückter Stunde auch noch den sterbenden Schwan tanzt, ist sowieso alle brave Sinnforschung überflüssig geworden: Der Butler schreitet bereits mit der dritten Wodka-Runde durch die Zuschauerreihen. Und der Erzählerin, die das Geschehen beim Bügeln mit Berliner Dialekt und adäquatem Menschenverstand von der Seite aus lässig kommentiert, sind längst sämtliche Fäden entglitten.

Bütow und sein Team – fast alles Absolventen der Filmschauspielschule Berlin – haben richtig Spaß. Und den können sie – was im Theater, mit Verlaub, nicht immer gelingt – entwaffnend teilen!

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