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Kultur: Die Raffinesse der Stoppeldiva

CHANSON

Wer wird Tim Fischer sein, an diesem Abend im Tipi ? Die schillernde Diva seiner älteren Programme oder der ernste Jüngling mit Stoppelhaar, als der er 2001 in seinem Georg-Kreisler-Programm auftrat? Er wird beides sein. Und noch mehr, denn schließlich ist „Yesterday once more“ ein Best-of-Programm, und Deutschlands extravagantester Chansonnier nutzt es, um sich in all seinen schimmernden Facetten zu präsentieren (bis 31. Dezember, 20.30 Uhr).

Im schwarzen Catsuit, den Reißverschluss bis unter den Nabel herabgezogen, die Blondmähne schüttelnd, stakst er auf die Bühne, elfenhaft zart – wäre da nicht der metallene Tigergürtel, dessen Augen rot in die Dunkelheit funkeln! Der knurrigen Hinterhältigkeit der alten bösen Lieder Kreislers (der im Publikum sitzt und aufmerksam zuhört) begegnet er mit zarter Ironie, wenn er das Rätsel Mann zu ergründen versucht. Gerade gurrt er noch mit rollendem „r“ Zarah Leanders „Nur nicht aus Liebe weinen“, um unversehens in den schnarrenden Tonfall des Hitler-Raps zu wechseln. „Also geben Sie acht“, gerade als man sich auf einen witzigen Abend einrichtet, wird die Stimme samten und das Gesicht zum Schädel, verwandelt er sich in den verführerisch-beängstigenden Vogel Tod. Mühelos wechselt Tim Fischer zwischen den Spielarten, und jede Rolle, in die er schlüpft, beherrscht er traumwandlerisch und bleibt doch immer ganz bei sich selbst.

Die zweite Hälfte des Abends wird launiger, alberner, im tuntigen Glitzerfummel werden Schlager aufs Korn genommen, doch auch hier hält er Überraschungen bereit. Für den Chanson „Je suis malade“ holt er alles aus seiner Stimme heraus, die Musik brandet auf und entfacht ein verzücktes Blitzlichtgewitter der Fotografen – und schon quäkt er wieder im schönsten Wienerisch Cora Frosts „Verdrießlich“. Die Musiker tanzen einen Schuhplattler dazu. Seine Befürchtung, als fetter Elvis zu enden, ist unbegründet. Tim Fischer macht in jeder Rolle eine gute Figur.

Julia Büttner

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