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Kultur: Die religiösen Bilder Noldes: "Das Weltliche schien mir Sache anderer"

Wir lebten in Saus und Braus, und sangen und tranken und lachten, und ich war aller Meisterin." So beschreibt die alexandrinische Hure Maria ihre mit Liebesdiensten erkaufte Überfahrt ins Heilige Land.

Wir lebten in Saus und Braus, und sangen und tranken und lachten, und ich war aller Meisterin." So beschreibt die alexandrinische Hure Maria ihre mit Liebesdiensten erkaufte Überfahrt ins Heilige Land. Dort angekommen, verwandelt eine Vision die erotische Ekstase in eine religiöse. Maria geht als Eremitin in die Wildnis, wo sie 50 Jahre später stirbt - vereint mit Gott. 1912 bebildert Emil Nolde die Legende der "Heiligen Maria von Ägypten". Das Triptychon bildet den Ausgangspunkt der Schau "Legende, Vision, Ekstase", in der die Hamburger Kunsthalle die religiösen Bilder Noldes versammelt (bis 18. Februar, Katalog 45 Mark, unser Bild zeigt "Pharaos Tochter findet Moses" von 1910). Der Maler, der dem eintretenden Besucher auf dem Selbstporträt von 1917 aus großen, blauen Augen entgegenblickt, war nicht gerade bescheiden. "Das Weltliche schien mir Sache anderer", reklamiert er den Bereich des Spirituellen für sich. Die 84 Gemälde, Aquarelle und Grafiken der Ausstellung reichen zeitlich und thematisch weit über das hinaus, was Nolde selbst zum Kanon seiner 51 "biblischen und Legendenbilder" zählte. Diese entstanden zwischen 1909 und 1951 und würden gut in eine Kinderbibel passen. In Hamburg sind auch frühe Ölskizzen (1900) und Bilder exotischer Tänzerinnen in grellen Farbkontrasten zu sehen. Befremdlich wirken manche Darstellungen von Juden, die an "Stürmer"-Karikaturen erinnern. Doch die Kunsthalle will nicht Gericht über die politische Einstellung Noldes halten, so Direktor Uwe M. Schneede. Nolde war Mitglied der dänischen NS-Partei; trotzdem hingen 1937 von keinem anderen Künstler mehr Bilder in der Ausstellung "Entartete Kunst". Vorbei sind auch die Zeiten, in denen ein Alfred Lichtwark (Kunsthallen-Chef von 1886 bis 1914) Noldes religiöses Werk "degoutant und missglückt" fand und die Kirche es heftig bekämpfte. Dem Credo des Künstlers, die religiösen Bilder seien der Höhepunkt seiner Arbeit, wird man sich nach dem Besuch der Ausstellung dennoch nicht unbedingt anschließen.

I.L.

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