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Kultur: Die Sache mit der Stimme

Endrunde bei der Tagesspiegel-Leserjury

Den Filmenthusiasten erkennt man an der Entrücktheit, die sich mitunter bei ihm einstellt. Etwa wenn man erzählt, dass man den falschen Koffer vom Flughafen mitgenommen hat. „Der perfekte Filmanfang“, murmelt er dann. Enorm gefallen hätte ihm auch, was sich am Freitagabend an einer langen Tafel im „Vapiano“ am Potsdamer Platz zutrug. Dort saßen acht Menschen, einander bis vor kurzem vollkommen fremd, verbunden nur durch die gemeinsame Sichtung von 39 Filmen des diesjährigen Forums. Nun wollten sie darüber befinden, welcher der beste war.

Zunächst fordert Jurybetreuerin Angela Hannawald die Jury auf, ihre drei Favoriten zu notieren. Eva-Maria Bondy (51) schaut in einem Büchlein mit Blumenverzierung nach, Nejwa Bettaz, von Beruf Psychologin, in einer schwarzen Kladde. Manuel Mühlbauer, mit 20 Jahren Jury-Jüngster, schlägt einen Collegeblock auf. Darin blättert er noch umher, als die anderen schon abgegeben haben: „Ich hatte mir schon alles überlegt, aber mit einem Mal ...“ Die Jury-Betreuerin zählt trotzdem schon mal; Klaus Möller, der BVG-Controller, lächelt verbindlich und knetet seine Hände mit einer Vehemenz, dass einem angst und bange um ihren Fortbestand wird. Der amerikanische Juror Peter Stepman bestellt sich erst mal ein Bier. „Jetzt aber“, feuert sich Mühlbauer an, mit Erfolg: Endlich kritzelt auch er etwas auf seinen Zettel. Das Ergebnis: die höchste Punktzahl für „Heimatklänge“. Aber auch zwei andere Filme sind noch im Rennen.

Klaus Möller lässt seine Hände endlich in Ruhe, sein Lächeln wird noch wärmer: Seine Favoriten sind alle dabei. Nun entspinnt sich eine hitzige Debatte, deren Kernfrage Manuel Mühlbauer stellt: „Was wollen wir dem Tagesspiegel-Leser ans Herz legen?“ Details sollen nicht verraten werden – Juries legen Wert auf Diskretion. Nur so viel: Immer wieder dreht sich das nächtliche Gespräch darum, dass Stefan Schwieterts Musik-Doku nur vordergründig vom Jodeln handelt, tatsächlich aber von den eigenen Wurzeln, von menschlicher Kommunikation. Und Petra Riemann lobt die für einen Dokumentarfilm ungewöhnliche Emotionalität.

Inzwischen ist eine Stunde vergangen, mit einem Mal herrscht Schweigen. Bis Angela Hannawald zur zweiten Zettelrunde aufruft: Jeder möge notieren, welcher von den drei Bestplatzierten sein persönlicher Favorit sei. Das Ergebnis: „Heimatklänge“ liegt eindeutig vorne. Nun geht es an die Jury-Begründung: Während Kristin Flade, Eva-Maria Bondy, Petra Riemann, Nejwa Bettaz, Klaus Möller und Peter Stepman an einem Text über die Überwindung der Sprachlosigkeit feilen, diskutieren Manuel Mühlbauer und André Scheede bereits über chinesische Filme und die Spezialeffekte in „Haus der tausend Leichen“. Das Forum des Weltkinos hat ein weites Spektrum. Im Wettbewerb lief dieses Jahr übrigens ein Film mit jodelnden Asiaten.

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