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Kultur: Die Sammlung im Schatten

Berlin hat fotografische Schätze – und weiß es nicht. Eine Aufklärung

Herr Frecot, ein Deutsches Centrum für Fotografie wird es in Berlin vorerst nicht geben. Brauchen wir ein nationales Fotomuseum?

Nein, wir haben in Deutschland ja einige Fotozentren, allen voran in Köln. Aber die Berlinische Galerie kann als Landesmuseum nicht die Rolle eines international agierenden Museums übernehmen. Deshalb sind große Fotoausstellungen bisher zu 80 Prozent an Berlin vorrübergegangen. Ich habe auf eine Ergänzung von Seiten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz gehofft. Aber schon der Auftakt war etwas sehr schmalbrüstig. Man durchkämmte die eigenen Archive und sagte: „Hier haben wir auch noch was gefunden.“ So ist die Berlinische Galerie weiterhin das einzige Berliner Museum, das Fotografie sammelt, bewahrt und ausstellt. Der Aufbau einer eigenen Sammlung ist wichtig, weil sie ein anderes Qualitätsbewusstsein schafft.

Woran ist das Fotozentrum gescheitert?

Es mangelte an Bescheidenheit und dem Sinn für das Machbare. Man hätte die Sache drei Etagen tiefer hängen sollen. Stattdessen hieß es: Wir wollen ein eigenes Gebäude haben und die Millionen müssen fließen. So geriet in Vergessenheit, dass es in der Kunstbibliothek mit Ausstellungen zu Atget und Appelt gute Ansätze gab, die zu einer Arbeitsplattform hätten weiter entwickelt werden können. Zumal auch dort eine großartige Sammlung im Hintergrund steht, die in den zwanziger Jahren angelegt wurde und die Kunstfotografie des 19. Jahrhunderts ebenso umfasst wie Modefotografien oder neusachliche Werke!

Sie haben schon in den achtziger Jahren den Vorschlag eines Berliner Gesamtkatalogs für Fotografie gemacht. Was ist daraus geworden?

Ich dachte damals: Wir sollten die fotografischen Bestände Berlins, zumindest die öffentlich zugänglichen, durchsehen: Landesbildstelle, Landesmuseen, Heimatarchive, Hochschulen und so weiter. Danach hätte man auch andere Archive einbeziehen können. Doch mein Vorschlag traf nicht auf große Gegenliebe. Heute entspräche ein solcher Zentralkatalog den technischen Möglichkeiten des Computerzeitalters. Ein virtuelles Museum müsste in Berlin doch zu machen sein. Ich bin überzeugt, dass es hier eine Menge ungehobener fotografischer Schätze gibt.

Ist es bei den enormen Preisen für Fotografie heute überhaupt noch möglich, eine Sammlung von nationaler Bedeutung aufzubauen?

Ja. Es ist erstaunlich, was es alles noch gibt. Die SK Stiftung Kultur in Köln, an deren fotografischer Sammlung ich beratend mitwirke, hat im letzten Jahr zum Beispiel ein fantastisches Konvolut von Albert Renger-Patzsch aus Privatbesitz gekauft, von dem kein Mensch etwas wusste. Das ist erschienen wie ein Meteor. So etwas passiert immer wieder. So ist in der Fotografiegeschichte noch viel aufzuarbeiten. Mir ist zum Beispiel eine umfassende Geschichte der Landschaftsfotografie oder des fotografischen Stilllebens nicht bekannt.

Das Gespräch führte Ronald Berg .

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