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Kultur: Die Spur der Schönheit

Porträts, Akte und Landschaftsstudien von Josef Breitenbach bei Camera Work

Seine Biografie ist spannend, sein Werk wunderschön. 1896 in München geboren, engagierte sich der Sohn eines Weinhändlers gegen den Krieg und für die Räterepublik. In der Fotografie erschuf sich Josef Breitenbach dagegen eine Welt sanfter Harmonie und Freiheit. Von Ausflügen und Reisen brachte er in sich ruhende Impressionen mit: eine Herbststimmung bei Köln, ein einsamer Baum im Dachauer Moos, grasende Schafe an der Via Appia in Rom, die heute mit Höchstpreisen zwischen 8000 und 14000 Euro gehandelt werden. Als die Weinhandlung des Vaters in Konkurs ging, eröffnete der Sohn sein Fotostudio. Schauspieler wie Albert Bassermann verdanken ihm ausdrucksstarke Porträts.

Vor allem Breitenbachs erotische Inszenierung „Dr. Riegler und J. Greno“ erregte seinerzeit Aufsehen: Ein korrekt gekleideter Herr empfängt im Salon ein nacktes Modell. Die Unterhaltung endet für den Herrn auf dem Fußboden – die lächelnde Dame triumphiert darüber stehend in Siegerpose. Die Serie soll einen unbefangenen Umgang von Mann und Frau demonstrieren, doch der Unterwerfungsgestus gewährt auch einen tiefen Blick in die Psyche des Fotografen, dessen Freundin das Modell spielte (fünf Aufnahmen aus der Serie bietet Camera Work für je 3000 Euro an).

Den Höhepunkt seiner Porträtkunst sollte der Fotograf in Paris erreichen, wohin er im September 1933, der drohenden Verhaftung durch die Gestapo zuvorkommend, geflohen war. Welch wichtige Rolle der Münchener Künstler in der deutschen Kulturszene an der Seine spielte haben Keith Stolz und Wolfgang Schopf in ihrer herausragenden Aufbau-Edition „Im Auge des Exils. Josef Breitenbach und die Freie Deutsche Kultur Paris 1933–41“ ausgebreitet. Unter anderem war er an der Inszenierung von Brechts Diskussionsstück „Die Gewehre der Frau Carrar“ durch Slatan Dudow beteiligt und hat bei der Gelegenheit auch mehrfach Brecht porträtiert. Zweimal taucht in der Ausstellung der schmale Kopf des Dichters im Halbprofil aus dem Dunkel auf (je 17000 Euro), ein bevorzugtes Stilmittel von Breitenbach, das er konträr zu Brechts Vorliebe für strahlend ausgeleuchtete Bühnen einsetzte.

In Paris setzte Breitenbach auch James Joyce in Pose (Spitzenpreis: 23700 Euro), fotografierte Max Ernst, Wassili Kandinsky und weniger bekannte Personen, deren Gesichter ihn faszinierten. Als Stadtfotograf begab er sich auf die Spuren von Eugène Atget.

Doch auch Paris muss er verlassen: Mit einem der letzten Schiffe konnte er auf der Flucht vor den Nationalsozialisten im September von Marseilles nach Amerika entkommen. In New York und Nord Carolina ermutigten ihn Lehraufträge zu zeittypischen Experimenten mit Fotogrammen und Solarisation. Breitenbachs Engament wird in dieser Zeit wieder politischer. Im Auftrag der Vereinten Nationen richtete er 1952 in Südkorea ein Fotostudio ein. Die dort entstandenen Bilder eines Flüchtlings mit schlafendem Kind auf dem Rücken oder der Trümmerwüste von Pusan zeugen vom wachsenden Interesse an der realen Welt. Siebzehn weitere Reisen unternahm er, als wollte er der Atelierluft entkommen.

Hochbetagt ist Josef Breitenbach 1984 in New York gestorben. Sein umfangreiches Œuvre, aus dem die Erben 100 Fotografien in die Verkaufsausstellung nach Berlin schickten, beeindruckt noch immer durch das wache Verlangen nach Schönheit. Immer und überall.

Camera Work, Kantstraße 149, bis 30. Oktober; Dienstag bis Freitag 10–18 Uhr, Sonnabend 10–16 Uhr.

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