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Alban Berg (1885-1935)

© mauritius images

Die Staatskapelle mit Alban Berg: Klangerotik und wilde Pracht

Die Staatskapelle widmet einen ganzen Zyklus Alban Berg. Nach den Liedern vergangene Woche waren jetzt die großen orchestralen Werke in der Philharmonie dran.

Seltsame Koinzidenz: Das Konzerthaus veranstaltet gerade ein 20er-Jahre-Festival, die Staatskapelle widmet einen ganzen Zyklus Alban Berg. Dessen Werke erklingen hier wie dort, am Gendarmenmarkt außerdem auch Kurzopern von George Gershwin und Marc Blitzstein. Wie Berg starben auch sie schmerzhaft früh, durch Krankheit, durch Totschlag. Abgeschnittene Lebenswege, verlorenes Talent, und immer wieder die Frage, was noch hätte kommen können. Im Fall von Berg gibt es, zum Glück, trotzdem eine Reihe von Edelsteinen fürs symphonische Repertoire, und die Staatskapelle breitet sie alle aus.

Das Großartige an Bergs Musik ist ja, dass sie voller kniffliger Bezüge und Zahlenanspielungen steckt, die man aber gar nicht alle sofort erkennen muss, um sie in ihrer ganzen wilden Pracht genießen zu können. Offenes Hören reicht aus, und in der sehr gut gefüllten Philharmonie finden sich am Sonntag viele sensible Hörer.

Erfrischend unaufgeregt, ja diskret nimmt Yefim Bronfman den ersten Satz im Kammerkonzert für Klavier und Geige mit 13 Bläsern, bevor er mit generöser Geste an Pinchas Zukerman übergibt. Der Geige gehört der zweite Satz, Allegro misterioso, erst im dritten werden beide Solisten zur Synthese mit den übrigen Musikern finden. Tastend, forschend fährt Zuckerman über die Saiten, als wolle er gänzlich ins Instrument hineinkriechen, in ihm verschwinden. Resultat: Ein Klangideal, an das man sich erst gewöhnen muss. Den bei aller Zwölftönigkeit vollen, üppigen, klangprächtigen Berg – der nicht ohne Grund als der zugänglichste, verführerischste, romantischste Vertreter der zweiten Wiener Schule gilt – bieten Daniel Barenboim und sein Orchester dann in den „Drei Sätzen aus der Lyrischen Suite“. Auch sie ein Beispiel dafür, wie Berg bei erstaunlicher Treue zu traditionellen Strukturen (Rondo!) gleichzeitig neue Ausdruckswelten erschafft.

Nicht fehlen darf das Violinkonzert, Requiem natürlich für die 18-jährig verstorbene Manon Gropius, aber auch für Berg selbst. Szenen aus dem Leben eines jungen Mädchens, Programmmusik, die streckenweise an „Heldenleben“, an „Don Juan“, an die Symphonischen Dichtungen des völlig anders gearteten Komponisten Richard Strauss denken lässt: Da berühren sich größte Gegensätze. In generell eher langsamem Tempo kehrt Zukerman zu dem umsichtig-nüchternen Spiel zurück, das er schon im Kammerkonzert an den Tag gelegt hatte, es bekommt jetzt aber zusätzlich etwas Pedantisches, Ausbuchstabiertes. Jeder Ton hat Akzent und Prägnanz, das schärft das Ohr für die Konstruktion des Werks, aber um den Preis der Sinnlichkeit, des Spielerischen, des Dramas. Ein bisschen mehr Metaphysik darf es dann doch sein, will man dem Klangerotiker Berg gerecht werden.

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