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Kultur: Die Stirn bleibt trocken

Ivan Fischer dirigiert Mahler im Konzerthaus.

Nach 100 pausenlosen Minuten, nach einem gewaltigen symphonischen Evolutionsprogramm, das sich im Konzerthaus vom schwärzesten Urgestein bis hin zur allumfassenden Liebe aufschwingt, steht Ivan Fischer sanft lächelnd inmitten seiner zukünftigen Musiker, mit trockener Stirn. „Das Monstrum“, wie Gustav Mahler seine Dritte selbst einmal nannte, scheint bezwungen, ganz ohne Schweiß und Schwielen – und das Konzerthausorchester atmet spürbar auf. Doch leicht hat es sich Fischer, der ab kommender Saison als Musikchef am Gendarmenmarkt wirkt, nicht gemacht bei diesem Konzert, einem seiner wenigen, kostbaren Kennenlernauftritte in Berlin.

Mit Mahler hat Fischer nicht nur einen Komponisten ausgewählt, den er selbst bestens kennt, sondern auch einen, den seine künftigen Nachbarn Barenboim und Rattle intensiv pflegen. Wieder einen Weltklassechef zu haben, davon träumt das Konzerthausorchester. Der letzte, der ihnen das versprach, war Eliahu Inbal. Gewaltig leuchten die Unterschiede zu Fischer an diesem Abend mit der unendlich herausfordernden Dritten auf: Während Inbal auf Drill nach vormals erarbeiteter Partiturlesart setzte, sucht Fischer nach dem, was der Musik ihre Freiheit schenkt. Nach etwas Schwebendem bei vollem Bewusstsein, nach einem Rubato, nach Seele.

Das dauert, Fischer weiß es. Die Akustik des Konzerthauses hat er staunenswert schnell in seine musikalische Landschaft integriert, und seinen Musikern schenkt er mehr Vertrauen, als er fordert, auch wenn die Orchesterkräfte einmal kurz nachlassen sollten. Der Jubel gilt einer neuen Leichtigkeit und Aufmerksamkeit, auch bei schwerstem Sturm – und dem, was daraus folgen mag. Ulrich Amling

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