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Kultur: Die Stunde der Rekonstruktion

Rekonstruktionen von historischen Gebäuden sind keine Seltenheit. Man muss nicht zurückgehen bis 1902, als der die Silhouette Venedigs beherrschende Campanile auf dem Markusplatz einstürzte und bald darauf originalgetreu wiederaufgebaut wurde.

Rekonstruktionen von historischen Gebäuden sind keine Seltenheit. Man muss nicht zurückgehen bis 1902, als der die Silhouette Venedigs beherrschende Campanile auf dem Markusplatz einstürzte und bald darauf originalgetreu wiederaufgebaut wurde. Auch Rathaus und Tuchhallen der flandrischen Stadt Ypern und das Rathaus in Löwen, im Ersten Weltkrieg fast völlig zerstört, wurden anschließend originalgetreu rekonstruiert.

Die Rekonstruktion historischer Gebäude im Stadtraum war gerade nach den Wunden, die das Bombardement des Zweiten Weltkriegs in vielen Innenstädten riss, in den 50er Jahren beliebt, wenn auch nicht unumstritten. Nicht nur die Gebäude Unter den Linden mit Staatsoper, Kronprinzenpalais, Zeughaus und Kommode erhielten zumindest äußerlich ihre alte Gestalt. Auch in anderen Großstädten wie München und Frankfurt, Warschau oder Krakau erstanden die historischen Altstädte aus Ruinen. Die Paulskirche und das Goethehaus in Frankfurt, das Warschauer Schloss oder die Krakauer Altstadt sind nahezu komplett rekonstruiert. In Russland entstanden die rund um St. Petersburg liegenden und von der deutschen Wehrmacht verwüsteten Zarenschlösser neu.

Nach dem eiligen Wiederaufbau der 50er Jahre dauerte es, bis sich neuerdings ein historischer Zeitgeist durchsetzte. Die Stadtutopien der 60er und 70er Jahre waren genuin modern, von Le Corbusier oder Gropius geprägt statt von der Orientierung an historischen Stadtgrundrissen. Erst Mitte der 80er Jahre besann man sich auf die historischen Vorbilder: In Hildesheim musste ein 60er-Jahre-Hotelbau dem Wiederaufbau des mittelalterlichen Knochenhaueramtshauses weichen. Die Münchner Residenz, im Krieg zerstört, ersteht seit über 40 Jahren Schritt für Schritt neu: 1985 wurde der prunkvolle Kaisersaal wiederhergestellt. Das Berliner Schloss Charlottenburg entsteht nach schweren Kriegsschäden erst Mitte der 70er Jahre auch innen in alter Pracht wieder. Und das Dresdener Residenzschloss, nach schweren Kriegsschäden 40 Jahre lang eine innerstädtische Ruine, wird seit Mitte der 80er Jahre Schritt für Schritt rekonstruiert. Bis 2006, zu Dresdens Stadtjubiläum, soll der bedeutende Renaissancebau wieder in alter Pracht erstehen.

In den letzten Jahren allerdings gewann die Rekonstruktionsdebatte neu an Fahrt: Dresdens Frauenkirche, mit Sponsoren- und Bürgerbeteiligung finanziert, ist das repräsentativste Wiederaufbauprojekt. Auch Potsdam, wie Berlin von der SED seines Stadtschlosses beraubt, plant den Wiederaufbau und hat bereits das Fortunaportal am Alten Markt errichtet.

Für die Berliner Kommandantur, die als Repräsentanz der Firma Bertelsmann zur Seite Unter den Linden die historische Fassade wiedererhalten soll, wurde in der vergangenen Woche der Grundstein gelegt. Und für Schinkels Bauakademie, zu DDR-Zeiten gesprengt, hat sich im vergangenen Herbst ein Freundeskreis zusammengetan, um einen Wiederaufbau und eine Nutzung als Architekturmuseum zu erreichen.til

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