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Kultur: Die Summe der Einzelteile

POP

Heute geht alles etwas ruhiger zu. Die Besucher der Berliner Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, die zum Neujahrskonzert der Hamburger Band Kante gekommen sind, stehen stumm in der Schlange, bewegen sich langsam zu ihren Plätzen und lümmeln sich in die Sitze. Der Silvesterkater steckt einigen so in den Knochen, dass der Kopf sofort nach vorne absackt, als das erste Rauschen und Klicken des Vorprogramms aus dem Laptop Hanno Leichtmanns alias Static zu hören ist. Warme Basslines wiegen die vom Vortag und Altjahr Abgekämpften in den Schlaf und das tiefe Grollen des Beats lässt sie von schroffen Winterlandschaften träumen. Auch die sechs Musiker von Kante stellen schon nach den ersten Songs fest: „Man, seid ihr peacig drauf!“

Aber mit dieser Entspanntheit ist das Publikum ganz auf ihrer Seite. Die zwei Schlagzeuger vertreiben nach gutem Neujahrsbrauch böse Geister mit insistierenden Rhythmen, Rasseln und Schnarren, dass sie einer Unmenge von Percussions entlocken. Endlos lang sind die Lieder, schwelgerisch und melancholisch. „Ich sehe die Hand vor meinen Augen nicht“, heißt ein neues Stück, und die Leute lachen, als sie den Titel hören. Denn das hier ist die Volksbühne, das hier ist Berlin, wo Pose, Trash oder Introvertiertheit den musikalischen Underground regieren, statt der liedhaften Romantik, die doch viele Hamburger Bands auszeichnet. In der Zugabe spielen Kante dann ihren Hit „Die Summe der einzelnen Teile“, und Peter Thiessen singt: „Wir leben von einem Glauben, der unserer Gegenwart vorauseilt“. Spätestens jetzt sind alle wach und in gesunder Zuversicht vereint. Im Bühnenhintergrund blinken die Zahlen Null und Vier.

Daniel Völzke

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