zum Hauptinhalt

Kultur: Die Thirtysomething-Helden des Peter Stamm

Zwei Paare machen Urlaub in einem italienischen Dorf. Eine Frau sucht dort ihre Verwandten, gibt aber schnell auf.

Zwei Paare machen Urlaub in einem italienischen Dorf. Eine Frau sucht dort ihre Verwandten, gibt aber schnell auf. Die Menschen kochen, essen, reden, machen einen Ausflug. Am Abend stellt ein Paar fest: Es geht nicht mehr mit uns; sie fährt ab. Am Ende sitzen drei Menschen am Strand. Der Verlassene schaut den Sternenhimmel an.

Die Kurzgeschichten von Peter Stamm üben eine seltsame Faszination aus. Das Interieur: karg. Die Plots: nicht besonders dramatisch. Die Helden: Thirtysomethings, daran arbeiten sich auch andere Autoren ab. Die Stories haben keine Beschleunigung, keinen Stillstand. Die Geschichten heißen "Passionen", "Blitzeis" oder "Was wir können". Titel wie Alben der Hamburger Pop-Philosophen Blumfeld. Was die Geschichten verbindet, ist die melancholische Stimmung. "Blitzeis" hat viel davon, manchmal zu viel: Vergeblichkeit, Sehnsucht, Einsamkeit, Dulden. Damit wird die Gegenwartsliteratur nicht neu erfunden. Gute Dulder gibt es auch in Karen Duves "Regenroman", der mit "Blitzeis" eine beängstigende Vorliebe für Wassermassen teilt. Stamms Stärke ist der lakonisch-zärtliche Ton, mit dem er die Figuren auf vergebliche Reisen schickt: nach Italien, in die deutsche Provinz, an Schwedens Ostsee, in New Yorker Bars. Dort erleben sie Kanufahrten, Wolkenbrüche, Einsamkeit in Städten, Tod beim Sex. Früher wären daraus geläuterte Menschen geworden - heutzutage nicht, bei Peter Stamm erst recht nicht. Das erinnert an Judith Hermann. Winterschläfer. Unangestrengte, erzählende Kurz-Prosa.

Der 36-jährige Schweizer schreibt für die "Neue Züricher Zeitung", ist Hörspielautor und Redakteur der Zeitschrift "Entwürfe für Literatur". Nach seinem Erstling "Agnes" - auch ein schmaler, süchtig machender Roman - setzt Stamm die Dosis noch mal herunter: Mini-Novellen, mit wenig erzählerischem Aufwand Atmosphäre erzielen, auch wenn das Ganze so schlüssig wirkt wie bei Camus. Nach 135 Seiten "Blitzeis" hat man entweder den Blues oder fängt noch mal von vorn an. Oder beides. Wie eine CD, die man immer und immer wieder anhört. Mein Lieblingsstück ist aus der Geschichte "Jedermannsrecht": "Eigentlich war ich nur durch einen Zufall nach Schweden gekommen. Monika hatte sich vor kurzem von ihrem Freund getrennt, und da sie die Kanutour bereits gebucht hatte, fragte sie mich, ob ich nicht mit ihr fahren wolle. In der Mittelschule war ich in Monika verliebt gewesen, aber sie hatte mir noch eine Zeitlang Hoffnungen gemacht, bis sie eines Tages sagte, sie habe nun einen Geliebten. Das war alles schon Jahre her."Peter Stamm: Blitzeis. Arche Verlag, Zürich 1999. 135 Seiten, 29 DM.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false