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Kultur: Die Träne quillt

Das Artemis-Quartett im Kammermusiksaal.

Mit diesem Konzert stellt sich die junge lettische Geigerin Vineta Sareika nun auch dem Berliner Publikum als neue erste Geigerin des Artemis-Quartetts vor. Es grenzt an ein Wunder, wie schnell sich die großartige Musikerin den Geist des Ensembles anverwandelt hat. Es ist ein Geist, der in der äußersten Übereinstimmung der Absicht die Individualität der Künstler auf einer höheren Ebene wieder zum Vorschein bringt.

In Mendelssohns letztem Quartett zeigen die Musiker, wie wilde Verzweiflung die sich schüchtern noch regende Lieblichkeit des Komponisten zur Kapitulation zwingt. Im Anschluss wirken die aufgerissenen Klanglandschaften von Ginasteras Opus 26 wie eine logische Konsequenz aus Mendelssohns Abschiedsworten.

Dann Schuberts letztes Streichquartett: In so wechselnden Gestalten, in so feinen Schattierungen zeigen die Musiker das Hauptthema des ersten Satzes, dass am Ende buchstäblich jeder hinzugefügte Ton, noch die kleinste Verzierung tröstlich zu uns spricht. Die letzte Durwendung des Andante, bestehend aus bloß vier Takten, wird vom Quartett mit aufblühendem Ton wie eine Coda ausmusiziert. In der Mitte des dritten Satzes dann der vom Cellisten Eckart Runge zum Weinen schön angestimmte Ländler, der von einem geradezu impressionistischen, von Flageoletts eingefärbten Klanggewebe umhüllt wird.

Die Wucht dieses Spiels trifft den Hörer unmittelbar, körperlich. Wie Adorno schrieb: „Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen.“

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