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Kultur: Die unbändige Lust

„Made in Berlin“: Kurator Zdenek Felix zeigt in einer Sonderschau 42 Künstler aus der Hauptstadt

Herr Felix, nachdem Sie zwölf Jahre erfolgreich die Hamburger Deichtorhallen geleitet haben, sind Sie seit einem Jahr Berliner. Was zog Sie an die Spree?

Berlin ist eine junge Stadt, die es in der Form erst seit 15 Jahren gibt. Sie verändert sich ständig und bietet unheimlich viel Stoff zum Nachdenken. Das gilt in der Musik, im Filmbereich, vor allem aber in der bildenden Kunst. In Berlin leben heute Künstler aus aller Welt. Etwas hat sich geändert: Schon in den Siebziger und Achtzigerjahren kamen wichtige Impulse aus Berlin. Aber in den Neunzigern wurde die wachsende Metropole international. Das spiegelt „Made in Berlin“ wider: Fast 40 Prozent der Teilnehmer der Ausstellung kommen aus dem Ausland.

Was reizt die Künstler in Berlin, das sie anderswo nicht finden?

Die Lebenshaltungskosten, vor allem die Mieten für Ateliers und Wohnungen, sind geringer als in jeder anderen Großstadt. Aber das ist nur ein Aspekt: Künstler suchen Kontakt zu Kollegen und Galerien. Dieser Austausch funktioniert in Berlin besser als überall sonst.

Ihre Einschätzung Berlins klingt ungebrochen positiv. Andere beklagen die finanzielle Misere, die vergleichsweise schwachen Institutionen und sprechen bereits vom Ende des Mythos Berlin. Woher kommt Ihr Optimismus?

Ein Mythos, wenn Sie es so nennen wollen, kann doch gar kein so schnelles Ende nehmen. Mythen haben ein langes Leben. Zudem zieht die Stadt permanent Kräfte an und wird neu erfunden.

Ist es nicht dennoch überholt, eine Ausstellung zu kuratieren, die eine lokale Klammer setzt?

Zweifellos hätte man sich auch eine andere Ausstellung vorstellen können. Bei der ersten Sonderschau, die das Art Forum überhaupt veranstaltet, lag es aber auf der Hand, zu zeigen, was hier vor Ort entsteht. Insbesondere weil eine solche Überblicksschau bisher von den städtischen oder staatlichen Häusern versäumt worden ist. „Made in Berlin“ möchte mehr sein als eine Messe mit anderen Mitteln, wie es etwa die Art Unlimited in Basel ist. Hier wurde eine Kunsthalle auf Zeit initiiert.

„Qualität, Innovation und Aktualität“ waren Ihre Auswahlkriterien für die 42 teilnehmenden Künstler, die alle von den Galerien auf dem Art Forum vertreten werden. Wie messen Sie Qualität?

Eine Skala für Qualität gibt es nicht. Nur Erfahrungswerte, die man unter Beweis stellen muss. Auch die Entscheidung für die Auswahl dieser 42 Künstler lässt sich erst ein paar Jahre später rechtfertigen. Die Instanz zur Beurteilung von Kunst ist nicht der Mensch, sondern die Zeit.

Monatelang haben Sie Ateliers besucht. Haben Sie dabei so etwas wie einen kleinsten gemeinsamen Nenner der in Berlin produzierten Kunst entdeckt? Einen Berlin-Style?

Nein, den gibt es nicht. Im Gegenteil: Die individuellen Stile sind höchst unterschiedlich. Die Entwicklungen verlaufen nebeneinander in ganz unterschiedliche Richtungen. So etwas wie das Phänomen der young British art gibt es hier nicht.

Dennoch gibt es Trends. Gerade in Deutschland fühlen sich momentan viele wieder berufen, zum Pinsel zu greifen. Das macht auch Ihre Auswahl mit Künstlern wie Daniel Richter, Corinne Wasmuth oder André Butzer sichtbar. Sie haben 1981 eine Ausstellung mit den so genannten Neuen Wilden kuratiert. Wo liegen die Unterschiede zum aktuellen Malerei-Trend?

Die Malerei entspricht ganz offensichtlich einem Grundbedürfnis von Künstlern. Diese unbändige Lust des Menschen an der Darstellung wird es immer geben. Sie war auch nie ganz weg. Vielleicht werden irgendwann digitale Medien das Bedürfnis nach der Herstellung von Bildern durchaus stillen können, aber noch ist ein Ende von Öl auf Leinwand nicht abzusehen.

Im Gegenteil: Es werden immer mehr. Und die Preise schießen in die Höhe.

Das geht immer in Wellen von etwa 20 Jahren. Nachdem in den Neunzigerjahren die kontextuellen Ansätze gefragt waren, haben wir jetzt gerade den Höhepunkt einer Malereiwelle erreicht. Aber das heißt nicht, dass es keine andere Kunst mehr gäbe. Kontextuell arbeitende Künstler wie Florian Slotava oder Matti Braun sind daher ebenso bei „Made in Berlin“ dabei wie Videokünstler oder installativ arbeitende wie Monica Bonvicini und Björn Dahlem. Viele wechseln sogar die Ausdrucksmittel.

Die Künstler in der Ausstellung sind alle zwischen 1957 und 1980 geboren. Wie haben sich die Arbeitsweisen in den letzten Jahrzehnten verändert?

Die junge Generation ist viel zielgerichteter und geht sehr früh schon professionell mit Marktmechanismen um. Karrieren werden heute viel bewusster geplant. Auch thematisch sind die Künstler viel näher dran an der Wirklichkeit.

Welche Themen meinen Sie?

Die Beschäftigung mit der Geschichte, mit Katastrophen. Die sich ständig und immer schneller verändernde Welt findet ihren Niederschlag. Aber es ist zunehmend auch der Wunsch nach einer ästhetischen Gegenwelt spürbar.

Was würde Sie dauerhaft in Berlin halten?

Ich werde immer eine Beziehung zu dieser vielschichtigen, ungemein komplizierten Stadt haben. Gerade jetzt, als freier Ausstellungsmacher. „Made in Berlin“ war eine echte Herausforderung, und ich bin sicher, dass es in dieser Stadt für mich noch manch’ andere gibt.

Das Gespräch führte Katrin Wittneven.

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