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Kultur: Die Unverwechselbarkeit des Bauens

Über der Diskussion des Holocaust-Denkmals unbeachtet blieb der Umstand, daß es mit der "Topographie des Terrors" nicht nur bereits eine Dokumentationsstelle zum Thema in Berlin gibt, sondern mehr noch, daß diese Einrichtung derzeit gerade ein festes Gebäude für 45 Millionen Mark erhält.Es wird nicht irgendeine Behausung sein.

Über der Diskussion des Holocaust-Denkmals unbeachtet blieb der Umstand, daß es mit der "Topographie des Terrors" nicht nur bereits eine Dokumentationsstelle zum Thema in Berlin gibt, sondern mehr noch, daß diese Einrichtung derzeit gerade ein festes Gebäude für 45 Millionen Mark erhält.Es wird nicht irgendeine Behausung sein.Der Architekt, der Schweizer Peter Zumthor, zählt mittlerweile zu den Stars seiner Profession.Dieser Tage erst hat er den Mies-van-der-Rohe-Preis zugesprochen bekommen - ein Ritterschlag.Weitere Preise werden mit Sicherheit folgen; gewiß auch für den archaischen, kantigen Bau der "Topographie." Heute abend wird Zumthor, als öffentlichkeitsscheu gefürchtet, in der Akademie der Künste, deren Mitglied er seit 1994 ist, über seinen Entwurf sprechen - ein Ereignis.

Ereignisse sind die bisherigen Bauten Zumthors.In wenigen Jahren haben sie den Ruf des bodenständigen Graubündners in alle Welt getragen.Aus dem lokal orientierten, Architektur als dienendes Handwerk betrachtenden Baumeister ist der global tätige Entwurfskünstler geworden.Dabei erntet Zumthor jetzt die Früchte jahrzehntelanger Arbeit.Begonnen hat der 1943 in Basel gebürtige Zumthor seine Laufbahn nämlich, nach grundsolider Lehre als Möbelschreiner, im Alter von 25 Jahren als Denkmalpfleger.Seit dieser Zeit lebt er in Graubünden.Er hat die traditionellen Holzhäuser dieses vielleicht ursprünglichsten Kantons der Schweiz kennengelernt und ebenso die Verschandelungen von Ort- und Landschaften durch Verkehr und Tourismus.Die Qualitäten solcher traditionellen - und das heißt eben auch: nicht an den Bedürfnissen von Urlaubern, sondern an denen des Broterwerbs unter schwierigen klimatischen Bedingungen orientierten - Häuser auch bei Umnutzung zu bewahren und behutsam zu adaptieren, war eine der Aufgaben Zumthors.Erst in den achtziger Jahren begann er, im und ums heimische Chur mit unspektakulären Bauaufgaben - Schule, Doppelhaus, Altenheim, vor allem die vielgerühmten Schutzbauten für die römischen Ausgrabungen der Stadt - eigenschöpferisch hervorzutreten.Und wie eine Summe seiner Beschäftigung mit lokaler Tradition wirkt die schiffsförmige Kapelle von Sogn Benedetg, die in der unterschiedlichen Verwitterung ihrer geschuppten Holzschindelhaut die elementare Erfahrung des Wetters mitteilt und zugleich die des Behaustseins.

"Gute Architektur sollte den Menschen aufnehmen, ihn erleben und wohnen lassen", hat Zumthor 1992 geschrieben, in jenem Jahr, da ihm die Entwürfe zum Kunsthaus Bregenz und zum Thermalbad Vals den internationalen Durchbruch bescherten.Beide Entwürfe sind mittlerweile vollendet und ziehen Scharen von Architekturbegeisterten an, die über den glatten Beton des Bregenzer Baus ebenso andächtig streichen wie über die rauhen Flächen des grünen Steins, aus dem das Thermalbad gefügt ist wie ein altertümliches Gemäuer.

Zumthors Bauten sind vollkommen unterschiedlich.Einen Meier, einen Gehry, auch einen Foster erkennt man, so unterscheidlich die Genannten jeweils bauen mögen.Bei Zumthor ist es schwieriger oder wäre es wohl, hätten sich seine Bauten nicht so stark eingeprägt als etwas ganz und gar Eigenständiges, als etwas Nicht-Beliebiges und auf eigentümliche Weise Verwurzeltes.Es sind Bauten, die den Eindruck vermitteln, sie könnten nur an ihrem jeweiligen Ort stehen.Sie biedern sich nicht im mindesten an, sie verweigern sich geradezu ihrer Nachbarschaft - und nehmen doch präzise Bezug.Gerade dadurch sind sie unverwechselbar.Um diese Unverwechselbarkeit fürchten Zumthors Bewunderer, jetzt, wo mit dem Ruhm auch die Anfragen und Aufträge von überallher kommen.

Zumthor bezieht sich auf den jeweiligen Ort und besonders auf die Materialien seiner Gebäude.Nicht nur in Vals - dort aber in geradezu überwältigender Dichte -werden die Sinne angesprochen.Das Schauen verleitet zum Betasten und zum Erfühlen."Den Menschen aufnehmen" bedeutet, ihn in die Wahrnehmung des Gebauten mit allen Sinnen hineinzuführen, statt ihn mit der makellosen (und auf ihre Art faszinierenden) Kälte eines gebauten Kalküls zu konfrontieren.Die Aufgabe der "Topographie des Terrors" steht dem nicht entgegen.Denn auch und zumal bei der Dokumentation des Schrecklichen sind die Sinne des Besuchers beteiligt.Ihnen dient sich Zumthors Entwurf nicht metaphorisch an, sondern begegnet ihnen auf eigene Weise.Ein Ereignis steht Berlin bevor.Neben Libeskinds Jüdischem Museum entsteht so bereits das zweite Bauwerk von Rang auf dem geschichtlichen Hintergrund der Jahrhundertkatastrophe.

Akademie der Künste, Hanseatenweg 10, heute (Mittwoch) 20 Uhr.Eintritt frei.

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