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Kultur: Die vielen Farben des Geldes

Private Kunstförderung wird immer mehr zum Standbein kulturellen Lebens: einige Beispiele aus Berlin VON ANDREAS QUAPPEFür Freunde der bildenden Kunst in Berlin brachte das vergangene Jahr eitel Freude und Sonnenschein.Und mehr noch: Metropolengefühl.

Private Kunstförderung wird immer mehr zum Standbein kulturellen Lebens: einige Beispiele aus Berlin VON ANDREAS QUAPPE

Für Freunde der bildenden Kunst in Berlin brachte das vergangene Jahr eitel Freude und Sonnenschein.Und mehr noch: Metropolengefühl.Im Hamburger Bahnhof wurde die Sammlung Marx in den Preußischen Kulturbesitz geflochten, und in den Messehallen läutete der "Internationale Kunstmarkt führender Galerien" eine entscheidende Runde im Schlagabtausch mit der alten Kunststadt Köln ein. Diese Highlights verdanken sich privatem Geld oder privater Initiative.Das ist nichts Schlechtes per se, im Gegenteil.Hier hat das Sparen auch sein Gutes: selbst politisch korrekte Kulturarbeiter verlieren die Scheu vor dem Geld und denen, die es haben.Denn sie lernen, daß der Wunsch eines Geldgebers, vom positiven Image der Kunst zu profitieren, nicht gleich die Freiheit der Kunst kassiert.Der traditionelle Vorgang anzeigengestützten Imagetransfers liest sich etwa so: "Kunst und Private Banking haben durchaus etwas gemeinsam (!): Beide verkörpern einen gemeinsamen Anspruch." Kann man den geförderten Künstler und seine Werke in dieses Raster einordnen und will man sie kennenlernen, ist das ganz einfach: "Verlangen Sie unverbindlich unseren Geschäftsbericht.Wir freuen uns." Freuen durfte sich im vergangenen Herbst auch Sigmar Polke.Daß ausgerechnet er den mit 25.000 DM dotierten Kunstpreis der Norddeutschen Landesbank erhielt, spricht weniger für den Willen zur Förderung der Schönen Künste als für die Eitelkeit des Geldes im überkommenen Sinn.Doch begreifen andere Geldgeber immer besser, daß sie der Kunst - und sich selbst - einen schlechten Dienst erweisen, wenn sie sie auf die Rolle des Außenbild-Verbesserers reduzieren.Es gibt Beispiele dafür, in Berlin und anderswo. Während die Berliner Gasag in ihrem Kundenzentrum zu der spannenden Ausstellung "Erdgas und Kunst im Dialog" einlud - "erleben Sie die Geschichte des Rohstoffs Erdgas im Einklang mit Weltkunst aus drei Jahrtausenden" -, beschritten die Kollegen von der Bewag einen neuen Weg im Umgang mit Kunst.Zusammen mit der Fertigstellung des neuen Heizkraftwerks Mitte in der Köpenicker Straße realisiert die Gesellschaft ein anerkennenswertes Konzept für "Kunst am Bau", das von dem Frankfurter Ausstellungsmacher Kasper König entwickelt wurde.Anders als üblich, waren die Künstler in die Bauplanung eingebunden.Von schnöder Bekunstung kann also nicht die Rede sein - das hat die Architektur von Jochem Jourdan auch nicht nötig.Glücklicherweise trafen er und König auf ein Unternehmen, dem an "Signaturkunst" nicht gelegen war.Die Bewag wollte mehr, weil sie die Akzeptanz ihrer neuen Kraftstation glücklicherweise nicht übermäßig hoch einschätzt. Zwischen Kraftwerk und Fluß wird eine Uferpromenade geöffnet.Als Begrenzung des Kraftwerksgeländes errichtet der Däne Paul Kirkeby eine Mauer, die mäanderartig vor- und zurückspringen soll.Ebenfalls aus dem bläulichen Klinker, mit dem das Kraftwerk verkleidet ist, wird Kirkebys zweites Werk bestehen: ein Aussichtsturm an der Michaelbrücke.Vor die Spreemauer - das Ganze soll gleichzeitig mit der Betriebsaufnahme des Kraftwerks im Mai fertig sein - stellt dann die in Berlin lebende türkische Künstlerin Ayse Erkman acht "Bankskulpturen" auf.Die aus polierten Stahlrohren geformten Bänke werden aus der sonst nicht nutzbaren "Restwärme" des Kraftwerks geheizt. Der amerikanische Konzeptkünstler Dan Graham baut wie Kirkeby Skulpturen, die wie Architektur aussehen, aber keine sind.Am Kraftwerkeingang plant er einen ovalen Pavillon, der die Ellipsenform des gegenüberliegenden Triasgebäudes aufnimmt.All dies läßt sich die Bewag, die das Projekt in einem zweiten Teil fortsetzen will, immerhin 2,5 Millionen DM kosten, von denen der größte Teil in die technische Realisierung fließt. Ein Vorhaben, das ähnlich weit über die übliche "Umfeldverbesserung" hinausreicht und das man ebenfalls eher von der öffentlichen Hand erwartet hätte als von einem Unternehmen, realisierte die Hellersdorfer Wohnungsbaugesellschaft.Sie versucht, mit Großskulpturen an den (Vor-)Stadteingängen "Identifikationszeichen" zu setzen.Man will die Menschen im Quartier halten, denn individuellere Neubauten locken ins Brandenburgische hinaus.An der östlichen Grenze des Bezirkes, wo die Mahlsdorfer Einfamilienhäuser einen surrealen Kontrast zur Platte zeichnen, befindet sich seit dem vergangenen Herbst ein Figurenensemble von Frank Dornseif.Doppelt so hoch wie ein Bus, trotzt es dem Verkehr der Riesaer Straße.Die offenen Strukturen, wie sie für Dornseifs Arbeiten typisch sind, korrespondieren mit der lockeren Bebauung.Das Resultat ist so spröde wie eindrucksvoll und der (nicht eben idyllischen) Umgebung angemessen - die Risikobereitschaft des Unternehmens zahlte sich aus. Doch auch kleinere, mittelständische Unternehmen führen vor, wie man etwas für Kunst und Künstler (und Kunstfreunde) tun kann.Zum Beispiel Ekkehard Streletzki, Alleineigner des "Estrel Residence & Congress Hotels" am Neuköllner Schiffahrtskanal.Streletzki weiß, daß ein Hotel - erst recht das größte in Deutschland - ein Image braucht, das Gedanken an Anonymität gar nicht erst aufkommen läßt.Dafür gibt es Kunst; 1800 Hotelkunst-Werke von 40 russischen Künstlern zieren das Haus.Streletzki schloß auf einer Geschäftsreise die russische Szene ins Herz, aber seine Affinität schlug sich nicht nur in den zahlreichen günstigen Ankäufen nieder.Aus der schwierigen Lage, in der sich zahlreiche russische Künstler befinden, zog der Geschäftsmann eine bemerkenswerte Schlußfolgerung.Seit 1994 schreibt er dreimonatige Arbeitsstipendien für russische Künstler aus, die er nicht - wie zu erwarten wäre - in leeren Hotelzimmern unterbringt, sondern in einem Domizil in Stahnsdorf.Inklusive sind Material und Exkursionen zu Messen und Museen.Im vergangenen Jahr profitierte davon die Moskauer Künstlergruppe AES. Das läßt sich fortsetzen.So wurde 1996 bereits zum dritten Mal der "Kunstförderpreis Berliner Fernsehturm", ausgelobt von der Betreibergesellschaft des Turmrestaurants und mit 5000 DM dotiert, an den "besten ausländischen Studenten" einer der beiden Berliner Kunsthochschulen vergeben.Der letztjährige Preisträger Lars Frederick Källström (Schweden), wurde für seine Abschlußarbeit bei Daniel Libeskind an der Weißenseer Hochschule ausgezeichnet. Solche Förderung, auch wenn sie nicht die ganz großen Summen einsetzen kann, ist nicht hoch genug einzuschätzen - als Zeichen dafür, daß Kunst gewollt ist.Unkonventionelle Lösungen sind erlaubt, so wie sie zum Beispiel die Berliner Kulturmanagerin Maria Troll vormacht.Gerne nutzt sie den charmant ruinösen Hörsaal des ehemaligen pathologischen Museums der Charité für diverse "Events".Eine Fensterfirma, die sich dort feierte, ließ sich von Troll überreden, dem künftigen Medizinhistorischen Museum, das dort wiederauferstehen soll, Fenster zu stiften.Troll: "So haben die 100.000 DM gespart." So einfach ist das. Diese Galerie des guten Willens soll nicht darüber hinwegtäuschen, daß natürlich die öffentliche Hand den weitaus größten Teil der Kulturpflege finanziert, und sie darf sich auch nicht mit dem Hinweis auf den Bürgersinn aus der Affäre ziehen.So wichtig und begrüßenswert private Initiativen sind, so können sie doch nicht die Kulturpflicht des Staates ersetzen.Aber sie können Lücken schließen, Flagge zeigen und Impulse geben.Das ist viel.

ANDREAS QUAPPE

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