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Kultur: Die Welt des J. S. Bach

Am 11. September wäre er 100 Jahre alt geworden. Bis dahin zitieren wir täglich Theodor W. Adorno

Sie genießen die Ordnung seiner Musik, weil sie sich unterordnen dürfen. Das Werk, das einmal aus der Enge des theologischen Horizonts sich erzeugte, um ihn zu durchbrechen und in Universalität überzugehen, wird in die Schranken zurückgerufen, die es überstieg: Bach wird von der ohnmächtigen Sehnsucht zu eben dem Kirchenkomponisten degradiert, gegen dessen Amt seine Musik sich sträubte und das er nur unter Konflikten erfüllte. Was ihn von den Verfahrensweisen seiner Epoche absetzt, wird nicht als Widerspruch seines Gehalts zu diesen verstanden, sondern taugt einzig dazu, den Nimbus handwerklicher Beschränktheit ins Klassische zu erhöhen.

Die Reaktion, ihrer politischen Helden beraubt, bemächtigt sich vollends dessen, den sie längst unter dem schmachvollen Namen des Thomaskantors beschlagnahmt hatte. Amusische Gymnasien monopolisieren ihn, und seine Wirkung geht nicht länger, wie noch bei Schumann und Mendelssohn, von dem aus, was musikalisch in seiner Musik sich zuträgt, sondern von Stil und Spiel, von Formel und Symmetrie, vom bloßen Gestus des Bestätigten. (...) Sie haben aus ihm einen Orgelfestspielkomponisten für wohlerhaltene Barockstädte gemacht, ein Stück Ideologie.

Aus: Bach gegen seine Liebhaber verteidigt. 1951. In: Theodor W. Adorno, Gesammelte Schriften. Hg. von Rolf Tiedemann unter Mitwirkung von Gretel Adorno, Susan BuckMorss und Klaus Schultz. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 1997. Band 10.1.

WAS ADORNO SAGT (29)

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