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Kultur: Die Welt in mir

Elke Krystufeks Nabelschau in der Galerie Thumm

In neoliberalen Zeiten wirkt der historische Satz „L’État C’est Moi“ mit „Das Geld bin ich“ korrekt übersetzt. Diese freie Übertragung klingt gleichermaßen großspurig und kritisch, nach Pop und Poststrukturalismus. Für Elke Krystufek, die erstmalig eine Einzelausstellung in der Galerie Barbara Thumm präsentiert, ergibt „L’État C’est Moi – Das Geld bin ich“ ein passendes Motto für ihre Selbst- und Körpererforschung ab, die sie so dringlich und bisweilen aufdringlich betreibt: In ihrer konsequenten Nabelschau fragt die Künstlerin danach, wie der – männliche – Blick Identität konstruiert und sich die Verhältnisse in den weiblichen Körper einschreiben. Gleichzeitig ruft der Ausstellungstitel gerade in boomenden Marktzeiten Assoziationen an den Spagat zwischen Kunst und Kommerz hervor – schließlich wird im Kunstbetrieb unmittelbar Persönlichkeit in Geld umgesetzt.

Elke Krystufeks neue Gemälde (8000 bis 30000 Euro), Gouachen (5000 Euro) und Fotos von Collagen (9000 Euro) sind vor allem Selbstporträts. Wir sehen eine schöne Frau in Acryl- und Wasserfarben, die uns mit offenem Gesicht anschaut, dabei gleichermaßen verletzlich und stark erscheint. In diese wild-bunten Porträts, die manchmal an triviale Werbezeichnungen erinnern, schreibt und collagiert die 35-jährige Österreicherin, was als Matrix den Menschen umspinnt: Wie im Comic blitzen hier Dollar- und Eurozeichen in den Pupillen auf, eine Krawatte klebt auf dem Gemälde „What millions for“ – Stoff, der feine Unterschiede markiert. Mögen solche Botschaften à la „Geld regiert die Welt“ und „Kleider machen Leute“ etwas platt anmuten, umschwirren die Frauen doch auch Namen wie Jacques Derrida, Elfriede Jelinek oder „beaucoup Buddha“, um auf komplexe Weltsichtangebote und künstlerische Praktiken zu verweisen. Andere Stichworte thematisieren die Arbeitssituation von Künstlerinnen oder die Veränderung des Lebens durch moderne Kommunikation. Das großformatige Gemälde „Love outside Plato’s Cave“ spürt mit malerischem Bezug auf Antonio Canovas „Amor und Psyche“ den vielfältigen Möglichkeiten der Liebe nach.

Neben den Bildern zeigt Elke Krystufek auch die Mixed-Media-Arbeit „Second Hand Politics“ (25000 Euro). Durch die bemalten, bedruckten und beschrifteten Altkleider führt sie vor, wie Wertschöpfung funktioniert: Ein Markenname steigert den Materialwert um ein Vielfaches, eine Signatur den Wert eines Kunstwerks. Bei der Eröffnungsperformance führten Bewohner eines Seniorenheims von Krystufek gestaltete Kleider vor. Im Vergleich zu den früheren, radikaleren Performances, bei denen die Künstlerin beispielsweise masturbierte, mutet die hier mitschwingende Sozial- und Kunstmarktkritik milde an. Das Spiel mit Verkleidungen oder die Collagetechnik der Bilder bleiben in ihren Verweisen bisweilen aussageschwach. Die Kritik richtet sich gegen alles und nichts und stellt doch nur immer glatte Oberflächen her, auf denen der Betrachter ausrutscht.

Eine dritte Werkgruppe besteht aus Kleinplastiken der Jahre 1988 bis 1990. Deformiertes und lackiertes Spielzeug soll von der Machtlosigkeit und den Verletzungen misshandelter Kinder zeugen. Diese unmissverständlichen Arbeiten beeindrucken durch ihre Schlichtheit. Gegen die hier visualisierte Gewalt gegen Kinder bleibt die Symbolmacht des Geldes beinahe spielerisch.

Galerie Barbara Thumm, Dircksenstraße 41, bis 14. Januar, Dienstag bis Freitag 11–18 Uhr, Sonnabend 13–18 Uhr.

Daniel Völzke

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