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Kultur: Die west-östliche Diva

Edith Clever und Jutta Wachowiak zum 65. Geburtstag

Am 13. Dezember 1940 – der Mond war fast voll – wurden zwei Mädchen geboren, die zu Symbolfiguren der deutschsprachigen Theaterkunst werden sollten. In Wuppertal erblickte Edith Clever das Licht einer Welt, die sich im Krieg befand, in Berlin Jutta Wachowiak. Zwei parallele deutsche Laufbahnen, die sich berühren in der Erinnerung an eine Theaterepoche, als das Spielen noch geholfen hat.

Edith Clever wird auf ewig mit dem Mythos der West-Berliner Schaubühne verbunden sein, als fahle, triumphale Sängerin in den Alltagsepen des Botho Strauß, als Klytämnestra in Peter Steins „Orestie“, als älteste der „Drei Schwestern“ von Tschechow. 1970, als die Schaubühne ihren Siegeszug begann, kam Jutta Wachowiak ans Deutsche Theater, spielte in Ulrich Plenzdorfs legendären „Neuen Leiden des jungen W.“, war Schillers Maria Stuart in Thomas Langhoffs Inszenierung, die in 20 Jahren über 300 Aufführungen erlebte. Zwei Antagonistinnen. Größer könnte der Kontrast nicht sein.

Hier die Clever, die Ätherische, vielleicht die einzige zeitgenössische Tragödin, in der die Sprachkunst eines Kainz oder Moissi nachklingt. Dort die Wachowiak, deren Berliner Idiom (etwa in Hauptmanns „Biberpelz“ 1993 am Deutschen Theater) so klassisch wie bodenständig ist. 1989, in der Zeit der Wende, engagierte sich Jutta Wachowiak für die Demokratie. Sie hatte, mit Johanna Schall und Ulrich Mühe, bei den „Sicherheitsorganen“ den Antrag für die Kundgebung der 500 000 am 4. November auf dem Alexanderplatz gestellt. Edith Clever war damals mit dem Regisseur und deutschen Mythensucher Hans Jürgen Syberberg verbunden – als Protagonistin seiner sechsstündigen „Nacht“, als Kleists „Penthesilea“ und „Marquise von O.“

Nach der Trennung von der Schaubühne ist Edith Clever nie wieder in einem Ensemble heimisch geworden; was für so viele Heldinnen und Helden der Stein-Zeit gilt. Sie tritt nur mehr monologisch auf – einmal auch auf einem Terrain, das im Grunde Jutta Wachowiak gehört. Da griff sich Edith Clever Einar Schleefs „Gertrud“; eine kleinbürgerliche Lebensgeschichte aus der DDR.

Neben dem Deutschen Theater machte Jutta Wachowiak in Defa-Filmen Karriere („Glück im Hinterhaus“, „Märkische Forschungen“, „Das Haus am Fluß“, „Fallada – letztes Kapitel“). Mitte der Neunziger spielte sie in Tom Toelles Fallada-Verfilmung „Der Trinker“ mit Harald Juhnke. Beide großen Schauspielerinnen, da gibt es eine traurige Gemeinsamkeit, finden seit längerem nicht die großen Rollen, die großen Regisseure, die ihnen zustehen.

Edith Clever führt seit 1992 selbst Regie. Für Jutta Lampe, ihre Schaubühnen-Gefährtin, inszenierte sie vor einigen Jahren Becketts „Glückliche Tage“. Und auch ihr ein Glückwunsch: Denn heute, am 13. Dezember, feiert Jutta Lampe ihren 68. Geburtstag.

Rüdiger Schaper

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