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Kultur: Die Wohnungsbaugesellschaft läßt sich in einem opulenten Buch feiern

Häuser nicht in Blöcken, sondern in Zeilen zu bauen, ist ein Grundsatz des modernen Städtebaus. Freilich ergaben sich daraus aus der Vogelperspektive Bilder, die kaum Eindruck machten.

Häuser nicht in Blöcken, sondern in Zeilen zu bauen, ist ein Grundsatz des modernen Städtebaus. Freilich ergaben sich daraus aus der Vogelperspektive Bilder, die kaum Eindruck machten. Dagegen avancierte die Großsiedlung Britz rasch zu einer Ikone der klassischen Moderne, biegt sich in ihrem Zentrum doch ein Baukörper um einen vorgefundenen Teich. Dieses "Hufeisen" gab der Siedlung bald den Namen, sein Abbild wurde überall publiziert, wo es für das Projekt des modernen Massenwohnungsbaus zu trommeln galt, und noch heute dient es der Firma, die es errichtete, als Logo: der GEHAG.

Der Stolz auf die eigene Geschichte, der sich dahinter verbirgt, ist durchaus berechtigt: Unter den diversen gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften, die in den zwanziger Jahren für die ambitionierten Programme zur Beseitigung der Wohnungsnot gegründet wurden, zählte die "Gemeinnützige Heimstätten-Aktiengesellschaft" zu den wichtigsten, ältesten und rührigsten - und ihre Siedlungen zu den berühmtesten der klassischen Moderne. Neben der Hufeisensiedlung errichtete die GEHAG (schon damals liebte man Kunstworte) etwa die ebenfalls wesentlich von ihrem Hausarchitekten Bruno Taut gestaltete "Wohnstadt Carl Legien" in Prenzlauer Berg, die Häuser an der Weißenseer Buschallee oder die "Onkel-Tom-Siedlung", an der sich schnell der "Zehlendorfer Dächerkrieg" mit den konservativen Feinden des "kulturbolschewistischen" Flachdachs entzündete.

Zum 75. Geburtstag der GEHAG, der im Frühjahr begangen wurde, erschien jetzt ein opulenter Band, der eher knapp Werdegang und Leistungen der Firma nachzeichnet. Dabei wird auch dargestellt, wie es überhaupt zu dem Projekt des gemeinnützigen Wohnungsbaus kam und warum dieser in seinem Bestreben nach billigem, aber menschenwürdigem Wohnraum praktisch zwangsläufig bei bautechnischer Rationalisierung und architektonischem Rationalismus landete. Abgerundet wird die Darstellung der Firmenhistorie durch einen umfangreichen, reich bebilderten Katalog charakteristischer und wichtiger Bauten der GEHAG, bei der auch auf die Sanierung und Modernisierung der klassischen Siedlungen eingegangen wird, sowie durch eine Chronologie und ein Verzeichnis möglichst aller Anlagen, die die GEHAG errichtete oder verwaltet(e) - darunter auch große Teile der Gropiusstadt.

Wie es bei Festschriften so ist, kommt in dem Buch nicht nur die gewisse Fehlentwicklung des normierten Wohnungsbaus zu kurz, sondern vor allem auch das Scheitern des Projektes "Gemeinwirtschaft". Gleich nach der Stabilisierung der Währung war die GEHAG auf Initiative des späteren Stadtbaurats Martin Wagner, praktisch des Vaters aller Berliner Großsiedlungen der Weimarer Zeit, vor allem von den Gewerkschaften aus der Taufe gehoben worden. Als nicht auf Profitmaximierung orientierter Bauherr und -träger war sie eines der wichtigsten Werkzeuge im Kampf gegen die Wohnungsnot, bei dem die private Bauwirtschaft versagt hatte.

Nachdem sich der DGB schon 1964 aus der GEHAG zurückgezogen hatte, verkauften eine DAG-Tochter und das Land Berlin die Mehrheit der Anteile Ende letzten Jahres an eine private Holding. In einer Zeit, da insbesondere sozialdemokratische Politiker die Reste der Gemeinwirtschaft ebenso wie Kommunalbetriebe nur noch als Tafelsilber ansehen, welches man zum Stopfen von Haushaltslöchern verscherbeln kann, ist auch die GEHAG mit ihren heute über 30 000 Wohneinheiten zu einem Unternehmen geworden, das sich von anderen bestenfalls durch seine große Geschichte unterscheidet. Und durch die Erinnerung an die gekommene Überzeugung, dass sich manche Dinge besser organisieren lassen, wenn das reine Profitstreben nicht im Vordergrund steht.75 Jahre GEHAG 1924-1999. Herausgegeben von Wolfgang Schäche. Gebr. Mann Verlag, Berlin 1999. 272 Seiten. 128 DM.

Jan Gympel

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