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Kultur: Die Worte, die ich hörte

Gesammelte Essays: Joachim Sartorius wird 60

Von Gregor Dotzauer

Drei Zeilen, die in die Essays von Joachim Sartorius hineinführen und wieder hinaus. Wie eine Leuchtschrift fließen sie über die Vorder- und Hinterklappen seines Buches: „Nie war ich im Inneren der Schiffe. Aber ich weiß von ihnen durch Worte, die ich hörte, und Bilder, die ich sah.“ Die dies von Euripides in den Mund gelegt bekommen hat, ist Hekuba, die entthronte Königin von Troja. Der es sich als poetologisches Credo zu Eigen macht, hätte kein rätselhafteres Sinnbild für das finden können, was Dichtung ausmacht und die Hohlräume, die sie umschließt.

Joachim Sartorius scheut sich nicht, an das „Einzigartige, Hohe, Blendende, Steile“ von Poesie und ihren metaphysischen Aufgaben zu erinnern. Doch zugleich ist er einem unerschütterlichen Realitätsprinzip verpflichtet. „Die Welt, hat einmal jemand geschrieben, ist der Ort, dessen Wirklichkeit wir nachweisen, indem wir in ihr sterben. Dichter denken, im Schreiben des Gedichts weisen sie Wirklichkeit nach, und keine nur imaginäre.“ Und wenn er jungen Dichtern zuruft: „Lest Ovid, Catull, Horaz! Lest Pindar!“, ist er kurz darauf schon bei Malcolm Lowry und dessen Saufexzessen.

„Das Innere der Schiffe“ enthält gut zwei Dutzend Essays über Schriftsteller und bildende Künstler aus 20 Jahren: darunter Texte über seine Hausheiligen William Carlos Williams und John Ashbery, alle geschrieben mit der gleichen ruhigen Leidenschaft des Denkens.

In einer biografischen Skizze, dem „Selbstporträt eines Fremden“, bekennt sich der Intendant der Berliner Festspiele zu seinem „Doppelleben“: „Ich bin kein freier Autor. Die Vorstellung, von morgens bis nachts mit Poesie zu tun zu haben, erfüllt mich mit Horror.“ Heute, an seinem 60. Geburtstag, gibt ihm das die Chance, mit einem Teil von sich im gesellschaftlichen Mittelpunkt zu stehen und sich mit einem anderen hinauszuträumen ins Weite, wo er nicht weniger bei sich und allen seinen Sinnen ist.

Joachim Sartorius: Das Innere der Schiffe. Zwischen Wort und Bild. DuMont, Köln 2006. 260 Seiten, 22,90 €.

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