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Kultur: Diese Woche auf Platz 1 Herbert Grönemeyer

mit „Mensch“

HITPARADE

Das konnte er wirklich nicht ahnen. „Nach der Ebbe kommt die Flut / am Strand des Lebens (...) ich baue Träume auf den Sand“ – mit diesen Zeilen liefert Herbert Grönemeyer unfreiwillig einen Song zur Flutkatastrophe. „Mensch" handelt von Grönemeyers persönlicher Tragödie – er verlor seine Frau und seinen Bruder –, ohne dass es daherkommt wie ein Hochglanz-Interview oder sein Metaphern-Baukasten aus früheren Jahren. Ein bittersüßer Text, in schlichter, ergreifender Sprache. Es ist an der Zeit, einige Vorurteile gegen Herbert Grönemeyer zu korrigieren. In den Achtzigern galt er trotz seines Erfolges (23 Mal Platin) als Prototyp des Betroffenheitsbeamten. Niedecken, Kunze, Grönemeyer – deutscher ging es nicht. Grönemeyer, nach eigenem Bekunden „kein Heiterkeitsbolzen“, hat das nicht immer leicht genommen, aber als „zäher Westfale“ durchgehalten. Jetzt gibt die Zeit ihm Recht. Nicht nur, weil er bei diesen in London entstandenen Aufnahmen mit Sub-Bass und Reggae-Remix zeigt, dass er sein Ohr an der Gegenwart hat, sondern auch, weil er sich als unaufdringlicher Aktivist der deutschen Pop-Kultur Respekt verschaffte.

Angesichts der Dauerkrise auf dem Musikmarkt werden einmal wieder die Rufe nach einer Quote für deutsche Popmusik laut. In Frankreich habe das schließlich auch funktioniert. Unter den aktuellen Top-100-Singles stammen 49 von deutschen Interpreten. Weder die No Angels (Platz 2), noch die HipHopper Massive Töne (5), noch Grönemeyer-Erbe Xavier Naidoo (21), Sasha mit seinem WM-Song „This Is My Time“ (Platz 57), noch der angestaubte Gameboy-Techno der Love-Parade Hymne „Access To Peace“ (58) benötigen Artenschutz. Und Herbert Grönemeyer schon gar nicht. Für einen wie ihn, Wahl-Brite zumal, wäre das eine Beleidigung. Warum sollte ein Gesunder eine Krücke nehmen? Ralph Geisenhanslüke

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