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Kultur: „Dieser Kampf ordnet die Welt neu“

Die Waffen und die Macht der USA: Kriegsforscher Herfried Münkler über die Folgen der Invasion im Irak

Der Golfkrieg 1991 begann mit einer Großoffensive, der jetzige Irakkrieg beginnt mit einzelnen Angriffen und erst in der zweiten Nacht mit heftigen Bombardements. Was für einen Krieg haben wir diesmal zu erwarten?

Die Amerikaner haben drei strategische Imperative, denen sie genügen müssen: erstens Eigenopfer zu minimieren, weil das die amerikanische Gesellschaft schlecht verkraften kann. Zweitens wollen sie den Krieg schnell führen, um die Schäden im Irak in Grenzen zu halten und große Flüchtlingsströme zu vermeiden. Drittens wollen sie verhindern, dass die irakische Gegenseite Bilder von toten Zivilisten für sich nutzen kann, weil zivile Opfer die Weltöffentlichkeit erschüttern werden. Aus diesen drei Imperativen ergibt sich, dass nicht eine Luftoffensive von drei Wochen geführt wird, wie beim zweiten Golfkrieg, sondern dass jetzt eine „Gleichzeitigkeit“ in den Mittelpunkt tritt. Die Bodentruppen sickern ja schon seit Tagen in irakisches Gebiet ein.

Zunächst wurde – vergeblich – versucht, Saddams Aufenthaltsort gezielt zu treffen.

Außerdem sind Spezialeinheiten wohl schon seit Wochen in Feindesland vorgerückt und haben Ziele markiert. Mit Sicherheit wird das Geschehen in den nächsten Tagen weiter an Intensität und Geschwindigkeit gewinnen.

1991 sprachen Intellektuelle wie Paul Virilio vom ersten EchtzeitKrieg. Wird auch dieser Golfkrieg ein Cyber-Krieg sein?

Schon im zweiten Golfkrieg – der erste war der zwischen dem Iran und dem Irak – gelang den Amerikanern eine weitgehende Kontrolle der Bilder. Im Vietnamkrieg hatten sie nämlich erfahren, dass die freie Zirkulation von Informationen und Bildern zu einem für sie kontraproduktiven Element der Kriegführung werden kann. Diesmal werden sie den Bilderfluss in noch höherem Maß zu kontrollieren versuchen. Denn asymmetrische Kriege wie dieser werden über Bande gespielt, das heißt in der Öffentlichkeit und über die Weltöffentlichkeit.

Was heißt das für uns als Zuschauer?

Dass wir uns in einer grotesken Situation befinden. Die audiovisuellen Medien liefern eine Vorstellung von zeitgleicher Information – von Information in Echtzeit. In Wahrheit sehen wir eine Fassade, die von amerikanischer Seite aufgebaut wird und durch irakische Bemühungen von „Counter-Information-Warfare“ durchlöchert werden kann.

Es wird auch ein Krieg der Bilder sein...

Ja, aber über die Bilder werden wir zunächst wenig erfahren. Die Journalisten, die den Flugzeugträgern oder vorrückenden Einheiten zugeteilt wurden, bekommen im Prinzip nur die Bilder, von denen General Tommy Franks will, dass sie gezeigt werden.

Welche Folgen wird der Krieg für den internationalen Terrorismus haben?

Die Erwartung, dass mit Ausbruch des Krieges Terrorkampagnen in Westeuropa und Nordamerika losbrechen, halte ich für überzogen. Es wird viel vom Verlauf des Krieges abhängen. Wenn es nicht zu einem massiven, harten Widerstand der Irakis kommt, sondern das System schnell zusammenbricht, dann wird das kaum zur Intensivierung des Terrorismus führen. Sollte der Krieg sich aber über viele Wochen, möglicherweise Monate hinziehen, und sollten die Menschen in Jordanien, Syrien, Ägypten und Saudi-Arabien involviert werden, dann muss man davon ausgehen, dass so etwas wie eine zweite Front errichtet wird. Dann dürfte es vor allem in den USA, aber auch in einigen westeuropäischen Ländern zu Terroranschlägen kommen.

Bush sagt „God bless America“, wenn er den Krieg erklärt, und Saddam Hussein spricht vom Heiligen Krieg. Ist es ein Religionskrieg?

Ich würde das nicht so wichtig nehmen. Saddam Hussein ist ein säkularer Politiker, der mit dem Koran und dem muslimischen Glauben die längste Zeit seiner politischen Karriere nichts am Hut hatte. Er bedient sich dessen jetzt und stellt sich als gläubiger Moslem dar, um zusätzliche Widerstands-Ressourcen zu mobilisieren. Auch bei Bush gibt es das Bemühen, die Legitimität dieses Krieges der Öffentlichkeit mit religiösen, christlichfundamentalistischen Momenten zu verdeutlichen. Bei der strategischen Planung dieses Krieges spielen diese Elemente aber keine Rolle. Im Gegenteil. Solche Dimensionen müssen bewusst ausgespart werden, um das Ziel, den Krieg kurz und effektiv zu führen, erreichen zu können. Sonst ist der Irak hinterher pulverisiert.

Welche Folgen wird der Krieg für die internationale Staatengemeinschaft haben? Ist er ein politisch-völkerrechtlicher Rückfall?

Man wird sich davon verabschieden müssen, dass die Vereinten Nationen und der Sicherheitsrat das Monopol auf legitime, also auf gerechtfertigte physische Gewalt haben. Das Problem ist, dass die Arbeitsteilung – der Sicherheitsrat verteilt die Legitimität und die Amerikaner exekutieren sie – aufgelöst ist. Die Amerikaner haben die Entscheidung an sich gezogen. Und niemand kann sie daran hindern.

Welche Folgen erwarten Sie im Nahen Osten?

Wenn dieser Krieg kurz sein wird, dann führt er zu keiner fundamentalen Destabilisierung der Region, sondern bildet die Voraussetzung für ihre politische Neuordnung. Gelingt es Saddams Regime wider Erwarten, den vielbeschworenen Straßen- und Häuserkampf in Bagdad zu initiieren, dann würden die Bevölkerungen von Saudi-Arabien, Jordanien und Ägypten ihren still haltenden oder prowestlichen Regierungen aus dem Ruder laufen. Dann könnte die Region kollabieren.

Wird es demnächst weitere Kriege dieser Art geben?

Die Amerikaner machen jetzt die Erfahrung, dass der Krieg wieder als Instrument der Politik verwendbar ist. Wegen ihrer militärischtechnologischen Überlegenheit sind sie in der Lage, solche asymmetrischen Kriege zu führen. Wenn der Feldzug jetzt so läuft, wie die USA ihn geplant haben, werden sie bald den nächsten Krieg führen. Denn sie glauben, dass der Krieg wieder ein Problemlöser sein kann.

Das Gespräch führte Christiane Peitz.

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