zum Hauptinhalt

Kultur: Dieser Kuss der ganzen Welt

KLASSIK

Wer am Dienstag zufällig die Live-Übertragung von Deutschlandradio aus der Philharmonie einschaltete, mag lange gerätselt haben, welcher Komponist wohl hinter diesem lichtdurchfluteten, prachtvoll-samtigen Orchestersound steckt. Georg Schumann war es, 1866 in Sachsen geboren, der 1908 mit dem Oratorium „Ruth“ ein wahres Juwel spätromantischer Klangsinnlichkeit schuf, erfüllt von heiterer Gottgewissheit, ein alttestamentarisches Zwei-Stunden-Opus, realisiert mit den Mitteln des weltlichen Musikdramas. Alles klingt hier nach der hellen, erhebenden Seite Richard Wagners, immer wieder denkt man an die „Meistersinger“, an den Sonnenaufgang aus der „Götterdämmerung“, wenn die Melodien berauschend himmelwärts streben, bis sich das eheliche Happy-End der Moabiterin Ruth mit dem vielstimmigen Lob des Herrn zum großen Jubelfinale auftürmt.

Nicht die Sing-Akademie zu Berlin, die Schumann von 1900 bis 1952 leitete, darf sich rühmen, diesen Schatz gehoben zu haben, sondern der Philharmonische Chor Berlin. Die Verwertungsgesellschaft „Gema“, deren Gründungsmitglied Schumann vor 100 Jahren war, half finanziell, und der Dirigent Jörg-Peter Weigle, seit Saisonbeginn neuer Leiter des Chores, lenkte seine bestens präparierten Sänger sowie die Berliner Symphoniker effektsicher durch die Partitur. Star des Abends allerdings war unbestritten Michaela Kaune: Sekundiert von der bühnenreif deklamierenden Cornelia Kallisch und dem verschwenderisch sich verströmenden Johannes von Duisburg, lieh sie der Titelheldin ihren herrlichen, vor zärtlicher Nächstenliebe schier überfließenden Sopran. Halleluja!

Zur Startseite