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Kultur: Dieser Ton ins Band geflochten

KLASSIK

Die Avantgarde des 20. Jahrhunderts sprengte die überlieferten Formen, und somit müsste auch das gute alte Streichquartett, seit Beethoven zur Krone aller Gattungen erklärt, ausgedient haben. Ein auf Moderne spezialisiertes Ensemble wie das Arditti Quartett zeigt jedoch, wie lebendig und sogar publikumswirksam es noch immer ist. Im gut gefüllten Kammermusiksaal der Philharmonie könnte man Stecknadeln fallen hören – wenn nicht gerade gnadenlos gehustet wird. Stärkste Wirkung erzielen dabei die beiden Quartette von György Ligeti, beredte Zeugnisse des Sprungs, den der gerade 80 Jahre alt gewordene ungarische Komponist in den Sechzigerjahren von Traditionsgebundenheit in seine kühnen Klangerfindungen wagte. Wie die Ardittis in den „Métamorphoses nocturnes“ sensitive Flageolettketten aus den Saiten hervorstreicheln, monochrome Einzeltöne in schillernde Klangbänder auffächern und alles in immer komplexere rhythmische Bewegung bringen, ist faszinierend. Das spätere Schwesternwerk, das nach all dem bunten Flüstern, Rascheln und sonstigen Effekten zum Schluss wieder klagende Melodik wagt, zeigt sich erstaunlich von Béla Bartók beeinflusst. Dessen 4. Quartett wurde zu Beginn in etwas harter Tongebung „nach vorn“, hin zum geräuschhaften Avantgarde-Sound interpretiert.

Fremd nimmt sich zwischen dieser „ungarisch“ gefärbten Klangwelt „Tupac Amaru“ von Chañaral Ortega-Miranda aus: Zu den äußerst knapp kontrastierenden Elementen, vorzugsweise Glissandi jeder Couleur, ließ sich der 31-jährige, in Paris ausgebildete Chilene von einer Legende um die Ermordung eines Inka-Königs inspirieren. Das trägt nicht die ganze Zeit und ist doch, zumal in den panflötenartig anmutenden Anfangsklängen, von eigenem Reiz.

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