zum Hauptinhalt

Kultur: Dirigiergast: Glück und Spaß, wie leicht bricht das

Schon Mozart wusste: Es ist "alles zugleich", das die Sinfonien seines Freundes Haydn so einzigartig macht - und zu einer fast unlösbaren Aufgabe für Dirigenten, die auf engstem Raum Witz und Ernst, Spontaneität und Architektonik zeigen müssen. Ivan Fischer, seit ein paar Jahren regelmäßiger Dirigiergast bei den Philharmonikern, stellt sich dem Haydn-Test gleich zu Anfang seines Konzerts und besteht ihn mit der Sinfonie Nr.

Schon Mozart wusste: Es ist "alles zugleich", das die Sinfonien seines Freundes Haydn so einzigartig macht - und zu einer fast unlösbaren Aufgabe für Dirigenten, die auf engstem Raum Witz und Ernst, Spontaneität und Architektonik zeigen müssen. Ivan Fischer, seit ein paar Jahren regelmäßiger Dirigiergast bei den Philharmonikern, stellt sich dem Haydn-Test gleich zu Anfang seines Konzerts und besteht ihn mit der Sinfonie Nr. 88 auf hoch unterhaltsame Weise. Ohne die Hilfsmittel der Originalklang-Bewegung zu benutzen und deren kleinteilige Phrasierungs-Montage-Technik zu übernehmen: Fischer ist ein moderner Dirigent, dem es im Kopfsatz zuerst einmal darum geht, das dynamisch-thematische Spannungsverhältnis herauszuarbeiten. Ein plötzlicher Tutti-Einsatz ist für ihn nicht in erster Linie ein Spaßeffekt, sondern eine scharfe Kante, das kantable Seitenthema vermittelt wie eine Architekturvolute zwischen den Achsen einer Fassade. Spaß und Trauer, macht Fischer klar, ergeben sich bei Haydn erst aus dem hinterinnigen Spiel mit Erwartungshaltungen. Das Menuett ist ein festgefügter dreiflügliger Baukörper, der zugleich auch mit dem Stocken einer Flötenuhr-Mechanik spielt oder als Karikatur bäuerlicher Tanzmusik gesehen werden kann.

Die Vieldeutigkeit wird Programm, die Forderung des "alles zugleich" erfüllt. Eine sinnstiftende Einleitung für Lutoslawskis Cellokonzert, da Miklós Perényi immer wieder zwischen Tragik und Komik chargieren lässt. Die grotesken Kontrastwirkungen zwischen jammernden Glissandi, lakonischen Tonrepetitionen und theatralisch ausgreifender Rhetorik scheinen schon im einleitenden Cello-Monolog wie musikalische Clownerie, wäre da nicht die emotionale Intensität von Perényis makelloser Tongebung und wären da nicht die immer heftigeren Duell-Forderungen der einzelnen Orchestergruppen. Das Ende ist bei Perényi konsequenterweise offen: die intensivierte Repetitionsgeste des Anfangs zielt ins Leere, das Stück bricht ab. Und das Konzertereignis auch, denn Bruckners "Nullte" nach der Pause wurde zwar mit gleicher Hingabe gespielt, ist aber ein Werk, das der Komponist selber nicht für wirklich zählwürdig befand. Wir stimmen ihm zu.

Jörg Königsdorf

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false