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Der Rohbau wächst rasch empor: Baustelle des Humboldtforums.

© Kitty Kleist-Heinrich

Diskussion ums Humboldtforum: Architektur sollte sein wie ein Baum

Die Architektenkammer diskutiert über Schlüter, das Humboldtforum - und wie man es schaffen kann, dass das Auge auch bei zeitgenössischem Bauen satt wird.

Paradoxe Gleichzeitigkeit: Während sich die Architektenkammer Berlin unter dem Titel „Fassadenstreit 2.0“ dem Verlust historischer Gestaltungsqualität infolge des politisch gewollten Fassadendämmwahns widmet, greift die Stiftung Berliner Schloss – Humboldtforum bereitwillig die vom Publikum geäußerte These „Ornament ist kein Verbrechen!“ auf. „Schlüter trifft Stella: Impulse für die Architektur von heute?“ lautete das Thema der Podiumsdiskussion im Bode-Museum. Auch wenn Altes wegen angeblicher Ineffizienz weggeworfen wird, soll Neues bitte wie alt aussehen.

In der Basilika des Museums diskutierte Stiftungschef Manfred Rettig mit dem Hausherrn und Co-Kurator der Schlüter-Ausstellung Bernd W. Lindemann, dem Bildhauer Michael Schoenholtz und dem Architekten Sergei Tchoban. Es war ein Abend der Undeutlichkeiten und Missverständnisse. Was soll auch bei einer Diskussion herauskommen, wenn die derzeit mit Hochdruck in Beton gegossene Ausführungsplanung der Architekten, zu denen neben dem anwesenden Wettbewerbsgewinner Franco Stella die Büros Gerkan, Marg und Partner sowie Hilmer & Sattler und Albrecht zählen, dem Publikum nicht in allen Details gegenwärtig ist?

Schnell biss sich das Unbehagen im Saal an Stellas moderner Ostfassade fest, an der, wie Rettig mitteilte, „nichts zufällig ist“. Im Wettbewerbsentwurf als monumentale Loggia zu einem künftigen Stadtplatz am Spreeufer ausformuliert, rückte inzwischen aus Platzmangel das Innenleben des Humboldtforums bis an die Außenmauern vor. Man darf gespannt sein, ob es Stella gelingt, mittels großformatiger Betonelemente in Natursteinoptik den Effekt einer quasi handwerklichen Schaufassade zu erzielen.

Was macht Architektur über den modischen Moment hinaus dauerhaft?

„Architektur sollte wie ein Baum sein: Aus der Ferne bewundert man die Silhouette, aus der Nähe entdeckt man Details“, sagte Sergei Tchoban und hatte damit sein in Prenzlauer Berg für die eigene Sammlung errichtetes Museum für Architekturzeichnung im Blick. Das im historischen Brauereigelände am Pfefferberg realisierte Projekt ist ein Musterbeispiel für gelungenes Bauen im Bestand – von der skulpturalen Betonfassade bis zur selbst entworfenen Türklinke. Was Tchoban bei vielen Kollegen vermisst: „Das Auge wird nicht satt.“

Michael Schoenholtz, der als Bildhauer die Unterkirche der rekonstruierten Dresdner Frauenkirche überzeugend gestaltet hat, vermisst bei Architekten oft den Sinn für die künstlerische Ergänzung ihrer Projekte – und bei Künstlerkollegen die nötige Bescheidenheit, sobald sie einen Kunst-am-Bau-Auftrag ergattert haben. Aus dieser Sinnkrise konnte auch der Kunsthistoriker Lindemann nicht helfen. Bei einem Universalisten wie Andreas Schlüter habe sich die Frage, ob er mehr Bildhauer oder mehr Architekt gewesen sei, erst im Augenblick seines bautechnischen Versagens gestellt.

Unbeantwortet blieb, was Architektur über den modischen Moment hinaus dauerhaft macht. Tchobans Einwurf, dass Investoren mittlerweile die Kurzlebigkeit der von ihnen beauftragten Gebäude einfordern, verhallte ungehört. Opportune Feindbilder vom unfähigen Architekten klingen angesichts der gesellschaftlichen Praxis heutigen Bauens schal.

Der Wiederaufbau des Berliner Schlosses ist auch architektonisch ein schönes Luxusproblem. Wenn aber noch immer gilt, dass mit dem Humboldtforum in der Mitte Berlins eine zukunftsweisende Kultur- und Bildungseinrichtung des 21. Jahrhunderts entstehen soll, dann war das ein deprimierender Abend.

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